Mehr als neun Prozent aller Werbe-E-Mails werden vom Versandhandel verschickt. Dabei ist gerade das Internet der größte Konkurrent von Quelle, La Redoute und Co. Trist schaut es auch mit der Zukunft des interaktiven TVs aus: Homeshopping via TV und Hotlines verzeichnet Umsatzeinbrüche.

"Bequem vom Sofa aus Einkäufe zu tätigen, das ist ein universelles Bedürfnis der Menschheit." Michael Otto, deutscher Versandhandels-Mogul 2002 in einem Interview

Wer die Geschichte des Versandhandels betrachtet, kann hier über die Jahrhunderte nicht nur mitverfolgen, wie sich Wirtschaft und technologischer Fortschritt zunehmend enger bis in die heutigen elektronischen Medien hinein verschränken. Auch der Begriff des Hausierens aus früheren Zeiten erfährt herauf vom zum Klischee gewordenen Buch- und Kochtopfvertreter an der Haustür bis zur Mail-Flut unserer Tage eine völlig neue Bedeutung.

Mit der Tür ins Haus fallen bedeutet heute: Laut einer aktuellen Meldung von heise.de landen jeden Monat allein in den Postfächern deutscher Internetbenutzer mehr als eine Milliarde Werbe-E-Mails. 40 Prozent davon sind Spam-Mails ohne rückverfolgbare Web-Adressen. Die größten Aktivitäten entfaltet allerdings der klassische Versandhandel mit Unternehmen wie Quelle oder Otto. Er verschickt mehr als neun Prozent aller Werbe-E-Mails.

Dabei gehen die Ursprünge des Versandhandels tatsächlich mittelbar auf den Beginn des Buchdrucks Ende des 15. Jahrhunderts zurück. Damals produzierten Buchdrucker erste Listen oder Kataloge ihrer Bücher, mit denen Händler übers Land ausgesandt wurden, um damit vor allem in Gasthäusern, manchmal auch auf eigens eingerichteten Buchmärkten oder in Bibliotheken Geschäfte zu machen.

Einen wirklichen Schub bekam der Versandhandel dann im 16. und 17. Jahrhundert mit der raschen Entwicklung des Postwesens und dann vor allem ab der Mitte des 19. Jahrhunderts mit dem Aufbau eines europäischen Eisenbahnnetzes. Dieses verbilligte die Paketzustellung nicht nur wesentlich. Die Eisenbahn machte eine regelmäßige und rasche Paketzustellung auch wahrscheinlicher. Man sollte angesichts des heutigen österreichischen Postwesens allerdings bezüglich solcher Aussagen nach wie vor vorsichtig sein.

Heute noch große europäische Versandhäuser wie La Redoute oder Quelle wurden allesamt zwischen 1922 und 1932 in der Zwischenkriegszeit gegründet, in Deutschland folgten nach dem Zweiten Weltkrieg noch der Otto Versand 1949 und 1950 der zurück zu den Wurzeln weisende Bertelsmann Buchclub.

Obwohl laut dem Bundesverband des deutschen Versandhandels im Jahr 2005 noch immer gut 75 Prozent der das europäische Feld der Versandhandels-Kundschaft anführenden Käufer im deutschen Raum vorwiegend auch bei klassischen großen Versandhäusern über Printkataloge postalisch oder telefonisch bestellen, so werden bis zum Jahr 2010 im Bereich des E-Commerce nicht nur 50 Prozent der Geschäfte erwartet. Die berufen sich alles in allem schon im abgelaufenen Jahr 2005 mit einer jährlichen Steigerung von 25 Prozent gegenüber dem Vorjahr und seit dem Jahr 2000 gar einer Vervierfachung der Umsätze im klassischen E-Commerce-Versand, Ebay-Handel, bei Touristikbuchungen, Finanzdienstleistungen, Softwaredownloads etc. auf über 18 Milliarden Euro allein in Deutschland.

Für Österreich lässt sich laut einer Studie der in Brüssel sitzenden European Distance Selling Trade Association (Emota) anhand eines Vergleiches mit dem die europäische Versand-Rangliste anführenden Deutschland Folgendes feststellen: Wo jeder Deutsche pro Jahr mittlerweile 255 Euro für sein Leben im Versand ausgibt, sind es in Österreich prächtige 145 von 148 Euro europäischem Durchschnittswert und damit Mittelfeld (wobei nur 15 Prozent dieses Betrags in Österreich über das Internet ausgegeben werden). Die aufgrund verschiedener Faktoren wie (Schatten-)Wirtschaft, Bildung und elektronische Erschließung am unteren Ende angesiedelten Schlusslichter dieser europäischen Liste sind Italien mit 14 Euro, Polen mit vier und Russland mit 2,4 Euro pro Kopf und Jahr.

Gerade aber das Engagement von großen Versandhäusern wie Quelle in Russland (seit 2004) lässt parallel zum Engagement europäischer Banken und damit überhaupt einer "Hinführung" zumindest jener Menschen im Osten mit festem Einkommen zu den Segnungen des Kreditkartenwesens darauf schließen, dass in osteuropäischen Ländern bald auch im Versandhandel der Bär steppen wird.

Diesbezüglich interessant: Seit einigen Jahren suchen auch die UN den Kontakt mit den großen internationalen Namen des Versandhandels (unter anderem mit dem mittlerweile längst auch in China aktiven Otto-Versand und seinen Dutzenden Unterfirmen). Die Vereinten Nationen bemühen sich erfolgreich um Unterstützung bei diversen Alphabetisierungskampagnen in der Dritten Welt. Immerhin bedeutet eine erfolgreiche Alphabetisierung in unterentwickelten Gebieten nicht nur langfristig gesehen eine Hebung der politischen und sozialen Standards. Nicht ganz unzynisch gesprochen muss es gerade auch im Interesse der Wirtschaft liegen, dass der Bildungsgrad weltweit erheblich angehoben wird. Nur wer lesen kann, kann schließlich auch Versandkataloge oder E-Mails deuten und in weiterer Folge bestellen.

Dem auch in unseren Breiten noch immer grassierenden Homeshopping über das so genannte interaktive Patschenkino mit seinen Dauerwerbesendungen zwischen Selbst-ist-der-Mann-Hotlines und Teflonpfannen ist längst nicht mehr jene große Zukunft beschieden, die man ihm noch vor einigen Jahren voraussagte.

Je mehr Kunden ins Internet abwandern, in dem man noch dazu in aller Ruhe Preise und Qualität vergleichen kann, desto höher die Umsatzeinbrüche beim "interaktiven TV".

Laut oben genannter Emota und ihren 18 Mitgliedsländern (Stand: Jänner 2005) sind heute europaweit mehr als 2000 Versandhäuser mit über 200.000 unmittelbar und ebenso vielen indirekt beschäftigten Dienstnehmern im Geschäft. Tendenz steigend - und auch verstärkt Richtung Nischenprodukt und -firma gehend. (Der Standard, Printausgabe 7./8.1.2006)