Rom - Die kritischen Äußerungen der deutschen Bundeskanzlerin Angela Merkel über das US-Gefangenenlager Guantánamo werden am Sonntag in internationalen Tageszeitungen kommentiert.

"La Repubblica" (Rom): "Die Bundeskanzlerin verteidigt energisch die Außenpolitik der Großen Koalition zwischen Union und Sozialdemokraten und bekräftigt, dass Berlin sowohl mit Amerika von George Bush also auch mit Russland unter Putin ein Freund sein will, aber dabei auch ehrlich in der Kritik bleiben möchte. Die von Merkel geführte Große Koalition gibt also, simpel gesprochen, nicht ihr Recht auf, Nein zu sagen. (...)

Bei ihren bevorstehenden Gesprächen im Weißen Haus mit Präsident George Bush wird Frau Merkel auch die erste Chefin einer europäischen Regierung sein, die klare Forderungen und klare Meinungsverschiedenheiten formulieren wird was den Skandal der geheimen Gefangenenflüge und der geheimen CIA-Gefängnisse angeht. Im Fall Irak verlangt Frau Merkel jedoch nicht weniger als ihr sozialdemokratischer Vorgänger Gerhard Schröder, nämlich das Recht Deutschlands, mit Klarheit und Ehrlichkeit eine andere Meinung zu vertreten als der große Verbündete USA."

"La Stampa" (Turin): "Tauwetter mit den Vereinigten Staaten ja, nach der Eiszeit in der Ära Gerhard Schröder, aber nicht um jeden Preis. Vor allem nicht um den Preis eines komplizenhaften Schweigens zu Guantanamo und den dort in voller Missachtung der Menschenrechte inhaftierten 500 vermeintlichen Terroristen. Angela Merkel trifft am nächsten Freitag in Washington Präsident Bush, aber sie wird nicht gefällig auftreten, wie viele in Deutschland bisher fürchteten, die dabei an ihre Washingtonreise im Jahr 2003 dachten, als Frau Merkel ins Weiße Haus ging um zu sagen, dass nicht alle Deutschen gegen den Irak-Krieg sind wie Bundeskanzler Schröder." (APA/dpa)