Brüssel - EU-Binnenmarktkommissar Charly McCreevy macht Ernst mit seiner Ankündigung, die Rechte von Aktionären grenzüberschreitend zu stärken: Heute Dienstag wird er seinen Entwurf für eine EU-Richtlinie vorlegen, mit dem es ausländischen Aktionären erleichtert werden soll, ihre Stimmrechte auszuüben. Dem Vorschlag müssen noch die Mitgliedstaaten und das Parlament zustimmen.

Laut einem Bericht der Financial Times will der irische Kommissar eine Mindestfrist von 30 Tagen für die Einberufung von Hauptversammlungen (HV) durchsetzen. Bis 30 Tage vor der HV müssen laut Financial Times auch alle relevanten Informationen wie zu diskutierende Beschlüsse vorliegen. Aktionäre mit mindestens fünf Prozent des Aktienkapitals bzw. Anteile mit einem Wert von zehn Mio. Euro sollen selbst Vorschläge für Beschlüssen einbringen können.

Fragerecht

Anlegern soll ein Fragerecht vor der Hauptversammlung eingeräumt werden, mit der Pflicht für Unternehmen, diese auch zu beantworten. Außerdem sollen Aktionäre leichter in Abwesenheit abstimmen können, etwa per Post, per E-Mail oder durch einen Stellvertreter.

Zudem soll das Sperren von Aktien abgeschafft werden, und durch ein so genanntes "Record Date System" ersetzt werden. Dabei registrieren sich die stimmberechtigten Aktionäre an einem festgelegten Tag. Die Kommission schlägt vor, dass dieser Stichtag höchstens 30 Tage vor der HV liegen darf und von den Mitgliedstaaten selbst festgelegt wird.

Die EU-Kommission hatte seit Mai 2005 Ideen gesammelt, wie praktische und rechtliche Hindernisse für ausländische Aktionäre ausgeräumt werden können, nicht zuletzt weil deren Zahl in der EU stetig steige. Laut EU-Kommission wird im Schnitt ein Drittel des Kapitals börsennotierter Konzerne von ausländischen Anlegern gehalten.

Jahresendrallye bei Börsengängen

An den europäischen Börsen nehmen die Aktivitäten stetig zu. Mit einem Schluss-Spurt ist der Stau bei Börsengängen in Europa zu Jahresende 2005 aufgelöst worden. In Deutschland habe es mit 28 Neuemissionen im vierten Quartal eine starke Jahresendrallye gegeben, berichtet PricewaterhouseCoopers (PwC) im "IPO Watch Europe".

Das vierte Quartal sei in Europa das stärkste des Jahres mit 208 Erstnotierungen gewesen. Im vorangegangenen Quartal seien 128 Unternehmen an die Börse gegangen, im vierten Quartal 2004 waren es 155. Der Wert der Erstnotierungen erreichte rekordverdächtige 25,27 Mrd. Euro, beinahe das dreifache Volumen der acht Mrd. Euro des Vorjahresquartals. PwC-Partner Volker Fitzner: "Mit über 600 Börsengängen und einem Emissionsvolumen von rund 50 Mrd. Euro war 2005 ein sehr starkes Jahr. Im Vorjahr gab es lediglich 420 IPOs mit einem Wert von 27 Mrd. Euro." (APA, bpf, DER STANDARD, Print-Ausgabe, 10.1.2006)