Das eigene Fleisch und Blut zu verletzten, sei normalerweise ein starkes Tabu. Im Fall von Mauerbach habe die Wahrnehmung der Kinder als Sachen die Hemmung vor dem Töten an sich und das Tabu des Ermordens von Kindern aufgehoben.
Nicht geschlechtsspezifisch
"Immer wieder müssen wir beobachten, dass gerade die dritte Sperre, das Töten der eigenen Kinder, in schrecklicher und paradoxer Weise die anderen wegreißt." In einem solchen Ausnahmezustand würde das Elternteil die Kinder nicht mehr als Personen, sondern als Besitz wahrnehmen, "die man voller Wut wie eine Vase vernichten kann, um eine Sekunde lang maximalen Schaden anrichten zu können, um allmächtig zu sein", erklärte der Psychiater. Normalerweise würden Eltern ihre Kinder sogar mit dem eigenen Leben schützen. Dass vorwiegend Männer zu solchen Bluttaten fähig sind, sei nicht richtig. "Diese Tabubrüche sind nicht geschlechtsspezifisch."
Die 45-jährige Mutter wusste zunächst offenbar nichts von den schrecklichen Ereignissen: "Sie wird in den nächsten Stunden von Psychologen darüber aufgeklärt werden, dass sie ihre vier Töchter verloren hat", sagte Oberst Franz Polzer, Leiter des Landeskriminalamtes NÖ. "Eine ideale Lösung, so eine Nachricht zu überbringen, gibt es nicht", meinte Rudas. Nun müsse eine dafür ausgebildete Person auf die individuelle Persönlichkeitsstruktur der Frau eingehen. Eine in allen Situationen anwendbare Methode gebe es nicht. "Auf keinen Fall über einen Kamm scheren", riet Rudas.
Seelische Verletzungen
Die 21-jährige Tochter, die ihre toten Geschwister gefunden hatte, und die Mutter müssten nun in einer monatelangen, aufwendigen psychotherapeutischen Behandlung betreut werden. "Nur weil seelische Verletzungen nicht im Röntgenbild sichtbar sind, heißt das nicht, dass die Wunden nicht entsetzlich sind", erklärte der Arzt.