Washington - Das Parlament im US-Staat New Jersey hat am Montagabend mit 55 zu 21 Stimmen die Aussetzung der Todesstrafe gebilligt. Zwei Abgeordnete enthielten sich der Stimme. Zuvor hatte bereits der Senat jene Vorlage akzeptiert, wonach vorerst bis zum 15. November keine Menschen hingerichtet werden sollen.

Bis dahin soll eine Untersuchungskommission klären, ob wegen der Todesstrafe weniger Verbrechen verübt werden. Auch sollen die Kosten der Todesstrafe untersucht werden. Es wird erwartet, dass der demokratische Gouverneur Richard Codey das Moratorium in Kraft setzt.

Mit der Entscheidung hat erstmals ein Parlament in den USA Hinrichtungen ausgesetzt, seit es den Regierungen der Bundesstaaten 1976 freigestellt wurde, die Todesstrafe anzuwenden. Die in Illinois und Maryland ausgesetzten Todesstrafen sind Anordnungen der dortigen Gouverneure. New Jersey gehört zwar zu den 38 Bundesstaaten mit Todesstrafe, aber seit 1963 wurde dort niemand mehr hingerichtet. Derzeit sitzen in New Jersey zehn Verurteilte in der Todeszelle.

Die Zustimmung für die Todesstrafe in der US-Bevölkerung ist in jüngster Zeit gesunken. Im Oktober lag sie einer Umfrage zufolge bei 64 Prozent. Das ist der niedrigste Stand seit 27 Jahren. Vorwiegender Grund dafür: Immer öfter ergeben DNA-Analysen, dass der nur aufgrund von Indizien Verurteilte gar nicht der Täter sein kann.

Analysen angeordnet

Erst vor wenigen Tagen hat der scheidende Gouverneur von Virginia, Mark Warner, DNA-Analysen an einem vor 13 Jahren Hingerichteten angeordnet. Mit Techniken, die zum Zeitpunkt des Prozesses noch nicht zur Verfügung standen, soll geprüft werden, ob der als Mörder exekutierte Roger Coleman bis zu seinem Tod seine Schuldlosigkeit wahrheitsgemäß beteuerte.

Bisher hat es noch keinen Gouverneur gegeben, der DNA-Tests nach der Hinrichtung eines Gefangenen in Auftrag gegeben hat. Gegner der Todesstrafe hoffen, dass ein Nachweis der Schuldlosigkeit auf breiter Front Befürworter der Todesstrafe umstimmt oder zumindest Schwankende auf ihre Seite bringt.

Auch in der Justiz wächst die Sorge vor Fehlurteilen, durch die Schuldlose hingerichtet werden. Heute, Mittwoch, will das Oberste Gericht der USA entscheiden, ob Verurteilte ein verfassungsmäßiges Recht darauf haben, dass ihre Fälle mit DNA-Tests neu aufgerollt werden. Derzeit sitzen mehr als 3000 Menschen in US-Todeszellen, Experten schätzen die Zahl der zweifelhaften Todesurteile auf mehrere hundert. (Reuters, kps, DER STANDARD Printausgabe, 11.01.2006)