Wien - Der US-Jurist Jimmy Gurule sieht Defizite im Prozess gegen den ehemaligen irakischen Diktator Saddam Hussein. Das Tribunal stehe zwar mit internationalem Recht im Einklang, doch würde das Recht Saddams und seiner Anwälte auf Kreuzverhöre und Konfrontation mit geladenen Zeugen beeinträchtigt, sagte der Universitätsprofessor am Dienstagabend in einem Vortrag in Wien. Die Identität der Zeugen würde nämlich zu deren Schutz vor Gericht verschleiert.

Der Mord an Anwälten Saddams sei ebenfalls beunruhigend, sagte Gurule. Hier gebe es die klare Botschaft der Einschüchterung. Die irakische Regierung sollte mehr Mittel zum Schutz der Verteidiger aufbringen. Das Tribunal selbst sei jedoch "historisch", betonte der ehemalige Unterstaatssekretär im US-Finanzministerium. Es sende die kraftvolle Botschaft, dass niemand unabhängig vom Status Massenmord begehen dürfe und dabei unbestraft bleibe. Für die Iraker sei es ein möglicher Katalysator für das Heilen von Wunden. Zudem sei es ein Test für die junge Demokratie sowie ein Signal an andere Nahost-Staaten.

Das Tribunal werde von einigen Kräften als illegal bezeichnet, da es durch die Durchführung von Besatzern die Genfer Konvention verletze, sagte der Jurist. Doch dies sei ein hinfälliges Argument, da mit der UNO-Sicherheitsratsresolution 1446 vom Juni 2004 die Besatzung beendet worden sei, sowie das Tribunal mittlerweile von der irakischen Regierung anerkannt werde.

Gurule glaubt nicht, dass das Plädieren auf Immunität durch die Verteidigung durchgehen werde. Auch bei den UNO-Tribunalen für Ex-Jugoslawien und Ruanda hätten ehemalige Amtsinhaber ihre Immunität im Falle von Verbrechen gegen die Menschlichkeit oder Genozids verloren. Die Immunität schütze nur Staats- und Regierungschefs, die sich noch im Amt befänden. Er rechne mit einer Verurteilung von Saddam, ein Todesurteil sei wahrscheinlich.

Es sei gut, dass das Verfahren öffentlich stattfinde. Allerdings bestehe durch die Übertragung im Fernsehen die Gefahr, dass Saddam Hussein die Auftritte als politische Propaganda missbrauche und sich in seinen Reden an die Aufständischen und Baathisten wende. Dem werde das Gericht allerdings in Zukunft Einhalt gebieten, glaubt Gurule.

Das Tribunal habe entschieden, Saddam zuerst nur wegen des 1982 begangenen Massakers an 142 Schiiten in Dujail vor Gericht zu stellen, um zuerst einen relativ unkomplexen Fall mit einer großen Beweislast zu behandeln, glaubt Gurule. Man wolle den beim jugoslawischen Ex-Präsidenten Slobodan Milosevic begangenen Fehler eines langen Prozesses vermeiden. (APA)