Die Kommentatoren durchschauen noch nicht ganz, ob es nur ein Mitleideffekt oder doch ein nachhaltiger Trend ist, aber nach dem Ausfall Ariel Sharons ist seine Zentrumspartei in den Umfragen vor den für Ende März angesetzten Parlamentswahlen bloß noch stärker geworden.

Sechs Tage nach dem lebensbedrohenden Schlaganfall des Premiers lag die von ihm erst im November gegründete Kadima bei rund 44 Mandaten, um vier mehr als unmittelbar nach der Erkrankung. Die Arbeiterpartei unter dem früheren Gewerkschaftsboss Amir Peretz ist noch ein Stück abgerutscht und kommt auf 16 bis 18 Mandate, während der von Sharon verlasse 2. Spalte ne rechtskonservative Likud unter Benjamin Netanjahu beinahe schon zu einer Kleinpartei verkommen ist und bei 13 Mandaten herumkrebst.

Inzwischen kristallisiert sich die neue Hierarchie bei der Kadima heraus, die keine Vorwahlen abhält, weil sie noch keinen fertigen Parteiapparat hat. Laut Medienberichten gibt es einen Geheimvertrag, wonach der von der Arbeiterpartei abgesprungene 82-jährige Shimon Peres wieder für das Parlament kandidiert und hinter dem Premier- Anwärter Ehud Olmert als Nummer zwei auf der Kadima- Liste steht. Die 47-jährige Justizministerin Zipi Livni habe die Zurückreihung auf den dritten Platz akzeptiert, zumal sie bloß symbolischen Charakter hat, denn Livni soll zur Premierstellvertreterin und Außenministerin aufsteigen.

Den Ärzten zufolge war Sharon "nicht mehr in unmittelbarer Lebensgefahr". Er atmete beinahe ohne Geräteunterstützung, und die Reaktionen auf äußere Reize waren etwas stärker geworden. Seit Mittwoch wurde der Patient nicht mehr anästhesiert, doch nach wie vor war ungewiss, ob und wann Sharon wieder zu Bewusstsein kommen würde. (DER STANDARD, Printausgabe, 12.1.2006)