Der Jim Carrey in dir: Oliver Huether (re.) nähert sich in Amélie Nothombs Psychodrama "Kosmetik des Bösen" seinem "Ich" Andreas Steppan.

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Wien - Amélie Nothomb liefert in Prosaform regelmäßig das ab, wovon man in der Theaterliteratur von heute praktisch nichts mehr hört und sieht: gute psychologische Dramen. Die 38-jährige als Diplomatentochter in Japan geborene französische Schriftstellerin beschert so seit mehr als einem Jahrzehnt dem Buchmarkt in sprachlich mal mehr, mal weniger ausgereiften Werken ihre Bestseller: wenige Figuren, hochdramatische Personenkonstellationen, dergestalt also ideal für das davon unversorgt gelassene Theater.

Bereits im Jahr 2000 hat das die französische Theaterautorenlandschaft interessiert rezipierende Theater Drachengasse ihren Erstlingsroman "Die Reinheit des Mörders" umgesetzt. Vorgestern feierte ihr von der Académie Française ausgezeichneter Roman "Kosmetik des Bösen" in einer Adaption und Inszenierung Anselm Lipgens' am selben Haus die Uraufführung.

Bühnenbildner Renato Sobotta hievte dafür einen Teil einer echten Flughafenwartehalle ins Theater am Fleischmarkt. Denn: Dort wird ein Geschäftsmann vor dem Abflug nach Barcelona mit der Gestalt seines "inneren Feindes" konfrontiert. Die Ausstaffierung ist rührend:

Originalsitzgarnituren aus Schwechat gruppieren sich um einen Zierbaum, Getränkeautomat, Werbeplakate und Monitore helfen den Flughafen zu imaginieren (!). So fantasielos, wie dieser Flughafen realistisch ist, kann kein Publikum der Welt sein. Eine Flughafenstimme begleitet ein ins scharfe Fluidum dieser in taubenblau gehaltenen Angstschweißecke und kündigt die dem Theater Raum gebende Verspätung des Abfluges an.

Der adrette Geschäftsmann (Andreas Steppan) macht an diesem Transitort unfreiwillig Bekanntschaft mit seinem bösen Alter Ego (Oliver Huether). Wie ein verrücktes Tier und mit angstkomischem Gebaren à la Jim Carrey kreist dieser Mann (sehr gut: Huether) im schäbigen Knitteranzug sein Ich ein, belästigt den in die Defensive gedrängten Herren mit "seiner" Lebensgeschichte.

Dazwischen entfährt ihm ein Grunzen und beizeiten dann auch die vorgebliche Wahrheit: Er sei der Mörder seiner Frau. Ergo: Der Geschäftsmann habe seine Gattin selbst ermordet. Von der Anschuldigung in den Wahn getrieben (der Mann ist sich seiner Tat nicht bewusst) tötet er den "inneren Feind", sprich sich selbst.

Nicht mehr als ein (bis auf zahlreiche Versprecher) fehlerloses Unterfangen, das vor allem der Darstellung Huethers wegen diese Bühnenversion lohnt. (DER STANDARD, Print-Ausgabe, 12.1.2006)