Der zweite Mordprozess gegen den Kannibalen von Rotenburg hat am Donnerstag vor dem Frankfurter Landgericht begonnen. Das Landgericht Kassel hatte vor zwei Jahren den Computertechniker Armin Meiwes wegen Totschlags zu achteinhalb Jahren Gefängnis verurteilt. Der deutsche Bundesgerichtshof hob das Urteil auf und gab der Revision der Staatsanwaltschaft statt, die eine Bestrafung wegen Mordes fordert. Hier die Chronik des in der Kriminalgeschichte beispiellosen Verbrechens:

9. März 2001: Der 43-jährige Diplom-Ingenieur Bernd Jürgen B. fährt mit dem Zug von Berlin nach Kassel, wo ihn der 40-jährige Armin Meiwes empfängt. Die beiden Männer haben sich als Chatpartner in einem Kannibalismus-Forum des Internets kennen gelernt. Dort suchte Meiwes per Anzeige einen jungen Mann zum "Schlachten". Er fährt mit B. zu seinem einsam gelegenen ehemaligen Gutshof in Rotenburg-Wüstefeld. Bernd B. nimmt nach Angaben von Meiwes im Verlauf mehrerer Stunden 20 Schlaftabletten, eine halbe Flasche Schnaps und eine Flasche Erkältungssaft zu sich, ehe er sich das Geschlechtsteil abschneiden lässt.

10. März 2001:>/B> Am frühen Morgen trägt Meiwes den bewusstlos scheinenden B. in den vorbereiteten "Schlachtraum" und sticht ihm ein langes Küchenmesser in den Hals. Anschließend zerlegt Meiwes den Leichnam. Die viereinhalbstündige Tat filmt er mit einer Videokamera.

Juli 2002: Ein österreichischer Internet-User - laut österreichischem Bundeskriminalamt ein Tiroler Student - informiert die Polizei über Web-Seiten von Meiwes, auf denen er Andeutungen über das Verbrechen macht. Das deutsche Bundeskriminalamt ermittelt.

10. Dezember 2002:>/B> Die Polizei ermittelt zunächst wegen Gewaltverherrlichung und durchsucht Meiwes' Haus und Grundstück in Rotenburg-Wüstefeld. Sie findet Blutspuren, beschlagnahmt Knochen und Fleisch aus der Tiefkühltruhe, eine Kreissäge und einen Grill sowie Videokassetten, 12.000 E-Mails, 1.616 Bilddateien, mehrere Festplatten sowie zahlreiche CD-ROM und Disketten. Armin Meiwes wird festgenommen und nach seiner ersten Vernehmung wieder frei gelassen. Am Nachmittag offenbart er sich seinem Rechtsanwalt und legt danach bei der Polizei ein umfassendes Geständnis ab.

11. Dezember 2002: Ein Amtsrichter erlässt Haftbefehl wegen Mordverdachts. Oberstaatsanwalt Hans-Manfred Jung hält den Tatverdächtigen für voll zurechnungsfähig.

12. Dezember 2002: Die Polizei lässt den Garten am Haus von Meiwes umgraben, um weitere Leichenteile zu suchen.

17. Juli 2003:>/B> Die Staatsanwaltschaft Kassel erhebt Anklage wegen Mordes zur Befriedigung des Geschlechtstriebs.

3. Dezember 2003: Prozessbeginn vor der 6. Großen Strafkammer des Landgerichts Kassel. Der Angeklagte legt ein umfassendes Geständnis ab.

8. Dezember 2003: Am zweiten Prozesstag berichten Polizeibeamte weitere grausige Details über die Tötung des 43-Jährigen. Anschließend werden unter Ausschluss der Öffentlichkeit die Videoaufnahmen von der Tat im Gerichtssaal vorgeführt.

5. Jänner 2004: Vier Beamte des Landeskriminalamts Hessen berichten vor Gericht über die Auswertung der bei Meiwes sichergestellten rund 2.000 Datenträger. Tausende Fotos mit Darstellungen von Folter und Gewalt sowie homosexuelle Pornografie waren gefunden worden. Rund 50 Bilder zeigen den Angeklagten beim Zerteilen seines Opfers.

16. Jänner 2004: Nach Angaben des Landeskriminalamts hatte Meiwes per Internet Kontakt mit 29 Gleichgesinnten. 204 Menschen hätten sich "Frankie", wie sich Meiwes im Internet nannte, als Schlacht- oder Misshandlungsopfer angeboten.

19. Jänner 2004: Der Psychotherapeut Klaus Beier von der Berliner Charite hält Meiwes nicht für krank, sondern voll für seine Tat verantwortlich. Auch Bernd Jürgen B. sei voll steuerungsfähig gewesen, habe aber offensichtlich unter einer schweren masochistischen Störung gelitten.

23. Jänner 2004:>/B> Der Göttinger Psychiater Georg Stolpmann diagnostiziert volle Schuldfähigkeit von Meiwes, auch wenn es sich um eine "schwere seelische Abartigkeit mit schizoiden Zügen" und eine Störung der Beziehungsfähigkeit handle. Meiwes habe sich bereits in seiner Kindheit und Jugend vorgestellt, auf freiwilliger Basis "knackige Jungen zu schlachten".

30. Jänner 2004: Das Landgericht Kassel verurteilt Armin Meiwes wegen Totschlags zu achteinhalb Jahren Haft und erklärt, Mordmerkmale lägen nicht vor. Die Richter folgen der Aussage des Angeklagten, dass er sich das Fleisch eines sympathischen Mannes "einverleiben" wollte, um eine möglichst enge Bindung an ihn zu erreichen. Nach dem Totschlagsurteil haben Täter und Opfer sich gegenseitig als Werkzeug zum "ultimativen Höhepunkt" benutzt.

22. April 2005: Der 2. Strafsenat des BGH hebt das Urteil des Landgerichts Kassel auf und stellt fest, dass es mehrere Mordmerkmale zu Unrecht verneint hatte. Den Fall verweisen sie zur erneuten Verhandlung an das Landgericht Frankfurt.

12. Jänner 2006: Der Prozess wird in Frankfurt vor der 21. Großen Strafkammer eröffnet. (APA)