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Nur auf Kythera (im Bild: Kirche von Mitata) verursachte das Beben vom Sonntag Schäden, drei Menschen wurden verletzt. Griechenland näherte sich dabei aber nicht Afrika.

Foto: APA/EPA/Nikitas Kotsiaris
Hannover/Graz - Es muss geknallt haben wie beim Einschlag eines Meteoriten. Doch hören konnte es niemand, als vergangenen Sonntag nordöstlich der griechischen Insel Kythera die Erdkruste auf mehreren hundert Quadratkilometern aufriss. Denn das Gestein brach in 50 Kilometer Tiefe. Wäre der Riss nicht in der Erde stecken geblieben, sondern bis zum Meeresboden fortgeschritten, hätte der Schlag vermutlich einen verheerenden Tsunami ausgelöst.

Das schwere Beben erinnert daran, dass sich Afrika und Europa unaufhaltsam näher kommen. Etwa drei Zentimeter pro Jahr drückt Afrika den Grund des Mittelmeeres unter die Eurasische Erdplatte im Westen und die Ägäische Platte im Osten. Hält die kontinentale Wanderung an, wird das Mittelmeer in rund 50 Millionen Jahren völlig verschwunden sein. Afrika stößt dann direkt an Europa, das heutige Algier und Palermo werden dereinst Vororte von Rom sein.

Keine Annäherung

Am Sonntag hielt der abtauchende Meeresboden dem Druck aus dem Süden nicht mehr stand und brach. Bei dem Ruck der Stärke 6,8 seien sich Afrika und Europa jedoch "nicht näher gekommen", sagt der Seismologe Gunnar Jahnke von der deutschen Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe in Hannover. "Lediglich im Umfeld des Bebens hat sich das unter großer Spannung stehende Gestein um etwa einen Meter bewegt."

Damit widerspricht Jahnke dem Geologen Eythymios Lekkas von der Universität Athen: Der bezifferte Anfang dieser Woche die erdbebenbedingte Annäherung zwischen Griechenland und Nordafrika auf gigantische sechs Meter - und versetzte damit Fachleute wie Laien in großes Erstaunen.

"Nicht nachvollziehbar"

Auch der Geophysiker Gottfried Kirchengast von der Universität Graz hält ein südliches Vorrücken der Platte und damit ganz Griechenlands um sechs Meter für "nicht nachvollziehbar": Allein aus physikalischen Gründen müsse die Energie für derartige tektonische Ereignisse zigtausendfach größer sein als bei einem Beben der Stärke 6,8. Auch würden solche Verschiebungen mit enormen Zerstörungen einhergehen - doch nur auf der Insel Kythera nahe am Epizentrum wurden Schäden an Gebäuden und Infrastruktur angerichtet, drei Menschen wurden dabei verletzt.

Aus der Analyse der weltweit registrierten Bebenwellen ermittelten Forscher nun, was geschehen war. Die wie ein EKG aussehenden Zickzack-Linien zeigen, dass sich das Gestein bei dem Beben nicht auf die abtauchende Erdplatte zu bewegt hat, sondern quer dazu. Die Beben in der Region zeichnen generell den Weg des abtauchenden Meeresbodens nach: Je weiter nördlich sie auftreten, desto tiefer liegt ihr Herd. Das Beben von Sonntag fand direkt auf der abtauchenden Platte statt. Weil es sich in großer Tiefe ereignete, konnten sich die Erschütterungswellen in große Entfernungen ausbreiten - sie waren noch in Italien zu spüren. Flachere Beben sind lokal begrenzter, dafür aber stärker.

Aufgrund der Tsunami-Gefahr wollen Wissenschafter binnen zwei Jahren ein Warnsystem für das Mittelmeer einrichten. In der Ägäis verursachte zuletzt ein schweres Seebeben am 9. Juli 1956 eine Riesenwelle. (boja, fei, DER STANDARD, Print, 13.1.2006)