Italiens Wahlkampf beschäftigt nun auch die Justiz: Ministerpräsident Silvio Berlusconi versucht die Führer der Linksdemokraten wegen illegaler Interventionen im italienischen Bankenskandal anzuschwärzen.

***

In der Limousine mit verdunkelten Scheiben, die am Donnerstagabend vor der römischen Staatsanwaltschaft vorfuhr, saß einer, dieser Berufsgruppe sonst tunlichst aus dem Weg geht. Silvio Berlusconi hatte sich beim Oberstaatsanwalt angemeldet, um der Opposition das anzukreiden, was gemeinhin ihm selbst unterstellt wird: die Verquickung politischer und wirtschaftlicher Interessen.

Am Mittwoch hatte der italienische Ministerpräsident bei einem Fernsehauftritt weit nach Mitternacht mit einer fast beiläufigen Anspielung aufhorchen lassen: Er verfüge über Beweise dafür, dass die Linksdemokraten unter Piero Fassino und Massimo D'Alema in der Übernahmeschlacht um die Banca Nazionale del Lavoro selbst mitgemischt hätten. Kommunistenchef Fausto Bertinotti, ebenfalls Gast im Studio, entgegnete pompt: "Das hätten Sie längst den ermittelnden Staatsanwälten erzählen sollen."

Den Vorschlag setzte der Ministerpräsident nur einen Tag später in die Tat um. In seinem halbstündigen Gespräch mit den Staatsanwälten soll Berlusconi Massimo D'Alema einer illegalen Intervention in der Chefetage der Generali beschuldigt haben. Er habe den Versicherungskonzern ersucht, dessen Anteil an der Bank an den Genossenschaftskoloss Unipol-Legacoop abzutreten.

Goebbels-Vergleich

Diese Version wurde am Freitag von der Generali energisch zurückgewiesen. Der Beschluss, die Anteile zu verkaufen, habe "ausschließlich marktstrategische und keine politischen Gründe". Die Linksdemokraten sprachen von einer "Seifenblase" und warfen Berlusconi eine "beschämende Verleumdungskampagne" mit Blick auf die Wahlen am 9. April vor. Piero Fassino verglich den Chefredakteur der Berlusconi-eigenen Tageszeitung Il Giornale mit Hitlers Propagandaminister Joseph Goebbels.

Indessen sorgt ein am Donnerstag genehmigtes Gesetz für neuen Streit: Gegen Freisprüche in erster Instanz ist in Zukunft keine Berufung mehr möglich. Damit ist im Korruptionsprozess um den Verkauf des SME-Konzerns die Berufungsverhandlung gegen Berlusconi hinfällig. Der Vorsitzende des Obersten Gerichtshofes, Nicola Marvulli, warf der Regierung "systematische Demontage der Justiz" vor.

In dem Verfahren ging es um den in den 80er-Jahren noch staatlichen Lebensmittelkonzern SME, den der Industrielle Carlo De Benedetti 1985 von der damals von Romano Prodi geführten Staatsholding IRI kaufen wollte. Berlusconi versuchte dies mit seinem Verbündeten und Premier Bettino Craxi zu verhindern, indem er unter anderem Richter bestochen haben soll. (DER STANDARD, Printausgabe, 14./15.1.2006)