Wien - Im Zuge der globalen Erwärmung ist die Schneefallgrenze im Alpenraum in den vergangenen 22 Jahren im Durchschnitt um 150 Meter nach oben gewandert. "Das ist gewaltig für diesen im meteorologischen Sinn recht kurzen Zeitraum", erklärte der Vorstand des Instituts für Meteorologie und Geophysik der Universität Wien, Reinhold Steinacker, am Freitag im Gespräch mit der APA. Diesen Wert haben die Wissenschafter im neuen Klimaatlas für den Alpenraum errechnet.

Auch wenn der heurige Winter nicht diesen Eindruck vermittelt, passt das Ergebnis der steigenden Schneefallgrenze gut in das Bild der globalen Erwärmung, die laut Steinacker im Alpenraum deutlich stärker ausgefallen ist als im globalen Schnitt. So ist beispielsweise der Prozentsatz an flüssigem Niederschlag am Hohen Sonnblick in den vergangenen zwei Jahrzehnten von über 90 Prozent auf rund 80 Prozent gesunken, betonte der Wissenschafter. Am Hohen Sonnblick in Salzburg (3.105 Meter) befindet sich Österreichs höchstgelegenes Wetterobservatorium.

Klimaatlas

Der Klimaatlas ist im Zuge eines vom Wissenschaftsfonds FWF geförderten Projekts entstanden. Dabei wurden erstmals grenzüberschreitend für den gesamten Alpenraum die wichtigsten Parameter der Atmosphäre erfasst und verarbeitet - und das nach Angaben der Wissenschafter in einer bisher nicht erreichten zeitlichen (Werte für alle drei Stunden) und räumlichen Auflösung. In einem ersten Schritt wurden jetzt die Daten zur Temperatur der bodennahen Atmosphäre veröffentlicht, die Werte für Druck, Feuchtigkeit und Wind sollen folgen.

Neue Einblicke in das alpine Klima

Bei der Analyse der Daten sind den Meteorologen weitere neue Einblicke in das alpine Klima gelungen. Sie konnten erstmals deutlich die tageszeitlichen Schwankungen der alpinen Druckverteilung - das so genannte "Atmen" der Alpen - und damit das starke Eigenleben der alpinen Atmosphäre nachweisen. Bisher hat es laut Steinacker kaum Daten über die Veränderung des Luftdrucks im Laufe des Tages gegeben. Durch das geringe Luftvolumen in den Alpentälern erwärmen sich die Luftmassen dort viel schneller am Tag und kühlen in der Nacht rascher ab, wodurch sich ein höherer Druck in der Nacht und ein tieferer am Tag ergibt.

"Die Täler saugen dadurch aus dem Umland am Tag Luft an und geben diese in der Nacht wieder ab - das ist wirklich mit Atmen vergleichbar", so Steinacker. Ohne stärkere Strömungen blieben die alpinen Luftmassen damit unabhängig von ihrer Umgebung. "Diese deutliche Abkoppelung der Alpentäler wirkt sich auf den gesamten Witterungsverlauf und nicht zuletzt auf die Luftreinhaltung in diesen Regionen aus", so Steinacker.

Lücke

Weil die weiter zurückliegenden Daten immer lückenhafter werden, gehen die meteorologischen Daten des Klimaatlas derzeit nur 22 Jahre zurück. Ursprünglich war für den Atlas eine Spanne von 30 Jahren, eine so genannte Klimanormalperiode, geplant. Diese Lücke soll in den nächsten Jahren geschlossen werden, wozu Archive der einzelnen Wetterdienste aus der vordigitalen Zeit herangezogen werden. (APA)