Wien- Sepsis, Sars, H5N1-Vogelgrippe oder auch ehemals die "Spanische Grippe" haben bzw. hatten für die Betroffenen in vielen Fällen eine Gemeinsamkeit: Die Opfer starben an schwerstem Lungenversagen (akutes respiratorisches Syndrom - ARDS). Wissenschafter vom Institut für Molekulare Biotechnologie (IMBA) in Wien glauben, einen gangbaren Weg zur Behandlung solcher Komplikationen entdeckt zu haben. Dies sollte über die Beeinflussung des Renin-Angiotensin-Systems erfolgen, erklärte am Freitag IMBA-Chef Univ.-Prof. Dr. Josef Penninger beim "Autoimmunität"-Symposium in Wien.

ACE und ACE2

Der Hintergrund: Angiotensin II ist aus der Kardiologie als jenes Protein bekannt, das eine wichtige Rolle in der Blutdruckkontrolle spielt. Es entsteht über mehrere Stufen durch die Einwirkung von Enzymen, zuletzt durch das Angiotensin Converting Enzym (ACE). Bestimmte moderne Blutdruckmedikamente hemmen entweder das Enzym ACE und somit die Entstehung von Angiotensin II als Blutdruck erhöhender Faktor oder sie blockieren dessen Rezeptoren.

Doch es gibt zumindest zwei Varianten des ACE-Enzyme. ACE erzeugt eben Angiotensin II, die zweite Form - ACE2 - macht hingegen Angiontensin IX, von dem man die Funktion nicht kennt.

Über den Umweg des Studiums der Entstehung von Herzmuskelschwäche bei Mäusen entdeckten die Wissenschafter schließlich die Rolle von ACE2 in der Lunge. Dort stellt es einen schützenden Faktor vor den Folgen schwerer Entzündungen dar, wie sie als Folge von Blutvergiftungen (Sepsis) oder Virusinfektionen mit schließlichem Versagen des Organs auftreten können.

Verschiebung der Balance

Der IMBA-Chef: "Zehn bis 20 Prozent der Sars-Patienten erlitten ein solches ARDS-Lungenversagen mit einer Mortalität von 40 bis 60 Prozent." Der Angelpunkt: Das Sars-Virus dockt in der Lunge der Infizierten offenbar mit stachelartig aussehenden Oberflächenstrukturen an ACE2 an, das als Rezeptor fungiert und dadurch blockiert wird. Der schützende Faktor fällt weg.

Die Blockade von ACE2 verursacht damit eine Verschiebung der Balance zwischen schädlichem ACE und schützendem ACE2. Die Folge sind massive Lungenschäden. Penninger: "Bei Mäusen führte das buchstäblich zum 'Ertrinken' der Lunge in der eingedrungenen (körpereigenen, Anm.) Gewebsflüssigkeit." Das Zusammenbrechen von (Dichtungs-)Barrieren im Körper ist ein charakteristisches Merkmal von schweren Entzündungsreaktionen.

Die Strategie

Die Arbeitsgruppe vom IMBA schlägt als mögliche Strategie zur Behandlung von akutem Lungenversagen vor, bestimmte Angiotensin-Rezeptoren zu blockieren. Penninger: "Wir haben (im Versuch an Mäusen, Anm.) mit der Hemmung der so genannten Angiotensin 1-Rezeptoren (für Angiotensin gibt es verschiedene Rezeptoren, Anm.) gute Erfahrungen gemacht. Wir glauben, dass wir damit die Basis für eine rationale Therapiemöglichkeit von bisher kaum behandelbaren Krankheitserscheinungen geschaffen haben könnten." (APA)