Allmähliches Sichtbarwerden: Dokumente lesbischer Subkultur der 60er-Jahre in "KatzenBall".

Foto: identities
Wien - Als junges Mädchen in den 40er-Jahren hofft sie auf ein Wunder: "Ich werd doch noch ein Bub!" Später, nach ihrer ersten sexuellen Begegnung mit einer anderen Frau, schickt sie ob ihrer tief empfundenen "Glückseligkeit" zum Dank ein "Vater unser" gen Himmel. Lange noch hadert sie mit ihren Gefühlen - "Unehelich, dumm - und jetzt auch noch schwul!". Irgendwann findet sie für sich jedoch eine Form, unabhängig von äußeren Bezeichnungen und den daran hängenden Konnotationen ein positives Selbstbild zu entwickeln.

Außerdem dokumentiert die Zürcher Fotografin Liva Tresch in den 60er-Jahren auch die anfangs noch in abgeschotteten Räumen verkehrende Lesben- und Schwulen-Szene. Beides, ihre Fotos und ihre biografischen Erzählungen, ist nun Teil des Dokumentarfilms KatzenBall von Veronika Minder.

Erfahrungsvielfalt

Dieser erzählt, so der Untertitel, "Geschichten von lesbischer Liebe in der Schweiz". Der Plural ist entscheidend: Trotz verwandter Erfahrungen ergeben sich aus den Erzählungen der insgesamt fünf wortgewandten Protagonistinnen durchaus auch Widersprüche, Differenzen und somit keine einheitliche, sondern eine vielfältige Geschichte. Die Unterschiede sind zum einen den Generationen geschuldet:

Die älteste Protagonistin, Jahrgang 1912, etwa erlebt noch die völlige Negation der Existenz von Liebe und Sexualität zwischen Frauen. Die jüngste, heute 25-jährige, bewegt sich dagegen längst mit Selbstverständlichkeit (nicht nur) in einem heterogenen "schwulesbischen" Umfeld.

Zu den Interviewpassagen montiert Minder einerseits historische Spielfilmaufnahmen, die populärkulturelle (Klischee-)Bilder von Frauenliebe zeichnen oder - anhand der knabenhaften Lilo Pulver in einer Hosenrolle - auf alternative Lesarten filmischer Ikonen verweisen. Darüber hinaus liefern aus dem Off kommentierte Passagen einen kleinen Abriss von rund hundert Jahren Schweizer Frauenbewegung.

Formal hält sich der Film dabei weitgehend an dramaturgische Konventionen, unterläuft jedoch wohltuend die knappe Talking-Heads-Häppchen-Ökonomie eines TV-Features. Bei der vergangenen Berlinale und beim Wiener Queer Film Festival identities wurde KatzenBall von Publikum und Fachjuries jedenfalls euphorisch aufgenommen. Und nicht zuletzt kann man auf Österreich bezogen zu KatzenBall, den identities nun regulär startet, festhalten: Wenigstens das Kino kommt seinem Bildungsauftrag nach. (DER STANDARD, Printausgabe, 14./15.1.2006)