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Die heuer viel fotografierten Ausstellungsobjekte auf der Berliner Agrarschau.

Foto: apa/dpa
Auf dem kleinen Stand Nummer 103 in der riesigen Landwirtschaftshalle 26a ist die Hölle los. Ein halbes Dutzend Fernsehteams filmen die paar ausgestellten Hühner, die abgeschirmt hinter Maschendraht ungerührt im Stroh herumpicken. Dazwischen eine Unmenge von Messebesuchern, die die Hühner kaum eines Blickes würdigen. Stattdessen wollen sie auf "Romanow", ein russisches Landschwein, das "Deutsche Sattelschwein", den "Highland Cattle", einen zottigen Büffel, oder den "Deutschen Riesen", einen grauen Hasen von wahrhaft enormer Größe, einen Blick werfen.

Bei dem ausgestellten Geflügel handelt es sich um "Mechelener Hühner", erklärt Standbetreuer Dieter Oldecopp stolz: "Eine schöne und gute Rasse." Doch ist ihm und seinem Kollegen Wingolf Buder der mediale Rummel um die Tiere fast schon zu viel. Es gehe ihnen in erster Linie um den Erhalt von alten Rassen, sagen die beiden Hobbyzüchter. Deshalb betreuen sie Jahr für Jahr den Stand des Vereins der Rassegeflügelzüchter von Brandenburg. Ehrenamtlich, wie sie betonen.

Getestet

Das ausgestellte Geflügel kommt zur Gänze aus Bundesländern rund um Berlin, und ist wie kaum ein Lebendvieh auf der Schau getestet. Buder zählt auf, welches Maß an medizinischer Vorsorge und Überprüfung den Tieren zuteil wurde: dreimal im Jahr Impfung samt amtsärztlicher Untersuchung. Dasselbe nochmals fünf Tage vor der Messe. Vor "Einreise" in das Messegelände genaue Überprüfung der "Identität" der Tiere mithilfe des Fußringes und der darauf eingravierten, eindeutigen Nummer. Rund um die Hühnerställe schieben sich die Besuchermengen durch.

Die Messe wird ob ihres Andranges, den sie alljährlich auslöst, als das "Oktoberfest der Berliner" bezeichnet. Auf der "Eventfarm", in einer Halle gleich nebenan, wird das normierte Leben des europäischen Nutztieres an Lebendbeispielen ausgestellt. Die Rinder in ihren stahlumzäunten Boxen; die Ställe der Kälber und Ferkel mit ihren Wasserspendern und Futterautomaten. Wie Geflügel typischerweise aufgezogen wird, wird sicherheitshalber nicht gezeigt. Statt dessen trippelt ein als Huhn verkleideter Mensch als Werbeträger für einen Internetauftritt für Lebensmittel durch die Halle.

Mut verlassen

Den neuen deutschen Agrarminister, Horst Seehofer, hatte angesichts der Vogelgrippe-Fälle in der Türkei ein paar Tage vor Messebeginn der Mut verlassen. Er fände das Ausstellen von Geflügel derzeit "nicht besonders glücklich", hatte er über die Medien ausrichten lassen. Deshalb wird nur wenig Federvieh ausgestellt: zwei Gänse, zwei bis vier Enten, vier Hühner und ein paar Zwerghühner. "Alle aus einheimischer Zucht", wie der Chef der Messe Berlin, Christian Göke, hervorhebt. Zudem befinden sich ständig sechs Tiermediziner auf der Messe. Auf den türkischen Ständen bewirbt man Tee und Trockenobst.

Privatimporte von Geflügel und Geflügelteilen aus der Türkei, auch aus Russland, Weißrussland und der Ukraine sollen deklariert werden müssen. Denn die größte Gefahr geht derzeit vom illegalen Import von Geflügel und Tierprodukten aus, sagt Seehofer.

Der Berliner sieht es gelassen. Hühner-Kebab erfreuen sich in Kreuzberg und Berlin-Mitte als Schnellimbisse weiter großer Beliebtheit und werden nur von der Berliner Currywurst getoppt. (DER STANDARD-Printausgabe 14./15.01.2006)