"Endlich einmal Hoffnung vermitteln": eine Begegnung der dritten Art mit Brian De Palma. Sein Film "Mission to Mars", jetzt auch in Österreich, war trotz kleiner Mängel ein Höhepunkt des Festivals, meint Claus Philipp Der spanische Journalist, der sich da im Pressekonferenzsaal des Palais du Festival in Kinogeschichtsschreibung versucht - er kann seine Frage gar nicht weiter ausführen. "Oh Gott!", jault Brian De Palma unüblich heiter auf: "Habt ihr das gehört, Leute?! Er hat das schlimme Wort gebraucht!" Auweia. "Hommage!" De Palma quittiert es mit Höllengelächter. "Angeblich besteht mein bisheriges Lebenswerk nur aus Hommagen, Zitaten, stilistischen Diebstählen. Ich bin nur froh, dass hier heute noch niemand Hitchcock erwähnt hat. Ich bin nämlich angeblich sein illegitimer Erbverwalter. Ha! Ha! Ha!" Brian De Palma ist zum ersten Mal in Cannes. Das ist merkwürdig, wenn man bedenkt, dass er gerade in Frankreich für Meisterwerke wie Dressed to Kill , Scarface oder Carlito's Way abgöttisch verehrt wird. "Aber ich lasse mich nur ungern zu Festivalbesuchen überreden", meint der US-Regisseur: "PR-Arbeit interessiert mich leider überhaupt nicht. Und ich hasse sie geradezu, wenn ich deswegen auf das verzichten muss, was ich auch hier am liebsten tun würde: Einen Film nach dem anderen ansehen - danach stünde mir jetzt der Sinn." Trotzdem: De Palma lächelt, was nicht allzu oft der Fall ist. Vielleicht liegt es auch daran, dass die vor Ort versammelten Kritiker jene Verrisse erst gar nicht erwähnen, die er in den USA für Mission to Mars einstecken musste. Tatsächlich fragt man sich aber nach der Ansicht dieses unüblich melancholischen Science-Fiction-Thrillers, wie blind Rezensenten sein können: Selten bewegten sich Filmkameras mit mehr Raffinesse durch den Sternenraum. Und selten war eine Begegnung mit Außerirdischen auf dem Roten Planeten enger verknüpft mit menschlicher Hilflosigkeit, die selbst in der Schwerelosigkeit Schwermut ausstrahlt. Einsame Abschiede Gary Sinise als Astronaut, der seine Frau an eine tödliche Krankheit verloren hat; Tim Robbins als sein Kollege, der, um wiederum seine Partnerin zu retten, irgendwann einmal wie David Bowies Major Tom hilflos durch das All treibt. Don Cheadle schließlich als Robinson Crusoe auf dem Mars, der bei der Lektüre der Schatzinsel seine Kinder nicht vergessen kann: Zu Ennio Morricones symphonischem Score und in Bildbewegungen, bei denen bald Oben und Unten nicht mehr unterscheidbar sind, entwickelt Mission to Mars darüber eine süße Bitterkeit, die mit dem Heldentum, das derartige Filme gewöhnlich zelebrieren, rein gar nichts gemein hat. Trotzdem: "Endlich einmal habe ich ein Sujet gefunden, in dem man Hoffnung zumindest andeuten kann", meint De Palma. "Ich bin ja nicht gerade ein gläubiger Mensch - aber wenn ich mich zum Beispiel bei Vor-Recherchen bei der Nasa mit Wissenschaftern unterhielt: Da steckte noch hinter dem verbissensten Technologen so eine Art von Vision, dass ,da draußen' noch mehr, vielleicht sogar Trost zu finden sein könnte." Leider gerät dieser "Trost" in den letzten Minuten des Films zu einer ziemlich übel verkitschten Digitalorgie. Die Wesen, die den Protagonisten hier gütig ET -Finger entgegenstrecken, hätte man lieber nie gesehen. Aber auch darin ist Mission to Mars mit einem anderen Glanzpunkt der Science-Fiction verwandt: Schon James Camerons The Abyss erzählte einst bevorzugt vom freien Fall und von Atemnot, um schließlich sehr konventionell Versöhnung und Heilung durch Wunderkreaturen zu zelebrieren. Damit aber genug der Querverweise: De Palma zeigt sich mit Mission to Mars wieder einmal als zutiefst originärer Filmemacher. Als Meister des rhythmischen Spiels mit Zeit und Raum: Man muss gesehen haben, wie seine Astronauten durch ihre Raumstation tanzen. Wie sie versonnen innehalten, um schwebenden Flüssigkeiten nachzustaunen. Wie sie etwa im All stillzustehen scheinen und doch rasen, um dann umso härter aufzuprallen oder gar zu verglühen. Vergleichbares gab es sonst kaum in Cannes. (cp/red)