Peking hat vor den für Montag in London anberaumten Sechsergesprächen zum Iran-Streit die EU-Troika, Russland und die USA aufgefordert, "Zurückhaltung zu üben" und alle Anstrengungen zu unternehmen, um im Gespräch mit dem Iran zu bleiben. China will "auf der Konferenz dazu beitragen", erklärte ein Sprecher des Außenministeriums am Sonntag.

Zur Konferenz schickt Peking seinen Generaldirektor für Abrüstung und Waffenkontrolle, Zhang Yan. Der Sprecher wich der Antwort aus, ob China sich einer Empfehlung der Londoner Versammlung, den Iran-Streit vor die Vereinten Nationen zu bringen, unter Berufung auf sein Vetorecht widersetzen würde. Nach den Vereinigten Staaten und der Europäischen Union hatte am Samstag erstmals auch Russland die UN-Option nicht mehr ausgeschlossen.

Russlands UN-Delegierter Andrey Denisov sagte Chinas Nachrichtenagentur Xinhua, Moskau rechne damit, dass die Frage der UN-Einschaltung dem Gouverneursrat der Internationalen Atomenergiebehörde IAEO in Wien zur Entscheidung überwiesen würde. Russland teile die Haltung der EU, dass Neuverhandlungen mit dem Iran erst möglich sind, wenn diese ihre Nuklearforschung wieder unter Moratorium stellen.

"Nur verkompliziert"

China kommentierte Moskaus Äußerungen nicht. UN-Botschafter Wang Guangya sprach aber von Pekings Sorge, dass die Einschaltung der Vereinten Nationen das Thema "nur verkompliziert und zur Verhärtung der Positionen führt". Diplomatische Beobachter in Peking sprechen von einer politischen Zwickmühle, in die sich China hineinmanövriert hat.

Monatelang versteckte es sich hinter den EU-Verhandlungen, um US-Forderungen nach Sanktionen gegen den Iran abzuwehren. Nachdem nun die EU-Troika feststellte, mit ihren Iran-Verhandlungen am "toten Punkt" angelangt zu sein, steht China allein mit seiner Aufforderung, weiterzureden. Niemand erwartet allerdings, dass Peking sein Vetorecht geltend macht. Damit würde es seine Beziehungen zu den USA beschädigen.

Andererseits möchte China auch sein Verhältnis zum Iran nicht belasten, das für Peking wichtiger strategischer Energielieferant, besonders für Erdgas geworden ist. Im vergangenen Jahr schlossen beide Länder einen über 25 Jahre laufenden Liefervertrag für jährlich mindestens zehn Millionen Tonnen Erdgas ab.

Zugleich will China dem Iran MD-90-Passagierjets verkaufen. Der bilaterale Handel boomt und erreichte 2005 weit über zehn Milliarden Dollar, rund 50 Prozent mehr als 2004. Nicht eingeschlossen ist dabei die geheime Rüstungszusammenarbeit zwischen den beiden Ländern. Washington hat im Vormonat gegen sechs chinesische Unternehmen Sanktionen beschlossen, weil sie Militärgüter in den Iran exportierten.

Mit dem Iran-Konflikt gerät auch die chinesische Nordkorea-Politik auf den Prüfstand. Sowohl der Iran als auch Nordkorea fürchten Sanktionen und haben davor gewarnt, ihre Atomaufrüstung vom UN-Sicherheitsrat beraten zu lassen. Beide Staaten hoffen auf Chinas Intervention. Peking kommt die Eskalation der Iran-Frage jetzt besonders ungelegen, weil sich Nordkoreas Machthaber Kim Jong-Il derzeit zu einem Geheimbesuch in Südchina aufhält. (DER STANDARD, Print, 16.1.2006)