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Waldheim wurde zum Symbol für die Kriegsgeneration, die ihre "Pflicht erfüllte".

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Hrdlickas Pferd bestärkte jene, die das anders sahen.

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Der Auftakt erfolgte fast zeitgleich, aber an zwei verschiedenen Orten: Am 3. März 1986, einen Tag nachdem die ÖVP beschlossen hatte, den ehemaligen UN-Generalsekretär Kurt Waldheim zu ihrem Präsidentschaftskandidaten zu machen, erschien im österreichischen Magazin profil ein Artikel mit dem Titel "Waldheim und die SA". Er enthielt als zentralen Vorwurf, dass Waldheim in seiner kurz zuvor erschienenen Autobiografie "Im Glaspalast der Weltpolitik" über seine Rolle in der Zeit des Nationalsozialismus und im Zweiten Weltkrieg lückenhaft und teilweise falsch informiert hatte. Die New York Times berichtete am 4. März über die neuen Enthüllungen, noch am gleichen Tag veröffentlichte der World Jewish Congress (WJC), der drei Wochen später Waldheims Aufnahme auf die "Watch-List" der US-Regierung beantragen sollte, eine geharnischte Presseaussendung.

Damit begann, was später die "Waldheim-Affäre" genannt wurde und zu Recht als eine der härtesten Wahlauseinandersetzung der Zweiten Republik gilt. Erstmals lief dabei ein Wahlkampf nach allen Regeln der amerikanischen Kampagnenkunst ab – persönliche Untergriffe und Anspielungen inklusive.

Die Frage, ob Waldheim einen Teil seiner Vergangenheit verschwiegen hatte (was er getan hatte) war die Initialzündung, sehr bald ging es aber um mehr: Wusste er von jenen Massen-Judendeportationen in Saloniki im März und April 1943, wo er seit März 1942 als Ordonnanzoffizier in der Heeresgruppe E stationiert war? (Er bestritt es stets, Historiker kamen zu einem anderen Ergebnis.) Hatte er persönlich an Kriegsverbrechen mitgewirkt? (Das konnt nie nachgewiesen werden.)

Umgang mit der Vergangenheit

Nicht nur Waldheims Glaubwürdigkeit wurde zum zentralen Thema der Wahlauseinandersetzung, sondern auch Österreichs Umgang mit seiner Vergangenheit. Waldheim war zum Symbol für die Kriegsgeneration geworden, die nur "ihre Pflicht erfüllt" hat.

Gerüchte und Mutmaßungen über Waldheims Kriegsvergangenheit hatte es schon 1970 bei seiner ersten Kandidatur für das Präsidentschaftsamt gegeben.

Dass 1986 sein Leben im großen Stil aufgerollt wurde, hängt auch mit einer strategischen Überlegung der damaligen SPÖ-Führung zusammen: Kanzler Fred Sinowatz und sein Umfeld – allen voran sein Kabinettschef Hans Pusch – glaubten, dadurch die Ausgangslage für den roten Kandidaten Kurt Steyrer zu verbessern. Eine Fehleinschätzung. "Die Kriegsgeneration fühlte sich angegriffen. Das hat einen Teil der Wählerschaft von der SPÖ strategisch getrennt", meint SPÖ-Chef Alfred Gusenbauer rückblickend.

Schon vor den ersten Veröffentlichungen hatte die SPÖ jedenfalls den Plan gefasst, die "braune Vergangenheit" Waldheims zum Wahlkampfthema zu machen. SPÖ-Parteichef Fred Sinowatz erwähnte das Vorhaben parteiintern bereits am 25. Oktober 1985 im burgenländischen SPÖ-Parteivorstand. Das wurde erst im Jahr 1991 durch ein Gerichtsverfahren publik, bei dem die damalige Protokollarin Ottilie Matysek gegen Sinowatz aussagte.

Die ÖVP – hier waren Generalsekretär Michael Graff und Kurt Bergmann federführend – versuchte die Angriffe abzuwehren, indem sie die Kampagne selber zum Thema machte. "Die Kampagne mit der Kampagne", lautete die Losung. Sie setzten auf einen Solidarisierungseffekt der Österreicher gegen die Angriffe von innen und außen – allen voran vonseiten des WJC, der die Rolle des Skandalisierers übernommen hatte.

Unverhohlen bediente sich die ÖVP dabei auch antisemitischer Untertöne. Graff musste 1987 zurücktreten, weil er formuliert hatte, dass Waldheims Schuld nicht gegeben sei, "solange nicht bewiesen sei, dass Waldheim eigenhändig sechs Juden erwürgt habe". "Jetzt erst recht" lautete der zentrale Wahlslogan in der Endphase des Wahlkampfes. Er wirkte.

Waldheim wurde mit 53,9 Prozent der Stimmen überraschend deutlich gewählt. Es war das beste Ergebnis, das ein Herausforderer bis dato erreichen konnte. (Barbara Tóth, DER STANDARD, Print, 16.1.2006)