Von Montag bis Freitag täglich eine Stadtgeschichte von Thomas Rottenberg

Auch als Buch: Die besten Stadtgeschichten aus dem Stadtgeschichten - Archiv - zum Wiederlesen & Weiterschenken. "Wiener Stadtgeschichten" mit Illustrationen von Andrea Satrapa-Binder, Echomedia Verlag Ges.m.b.H., ISBN 3-901761-29-2, 14,90 Euro.

Es war am Samstag. Und vermutlich liegt es an meinem intellektuellen Unvermögen, dass ich die der Materie inhärenten Logik nicht verstand. Schließlich hatte sonst niemand etwas Seltsames an der Liste gefunden – wenn man von einem kollektiven Schulterzucken absieht: Das ist halt so – und die Schwerkraft hinterfragt doch schließlich auch niemand.

Wir waren einkaufen gewesen. Besser: Shoppen. Einmal die Mariahilfer Straße hinauf, einmal hinunter. Lauter lebenswichtige Dinge. (Darüber, dass das in Japan und anderswo, wie F. – die neuerdings dort lebt - berichtet, als nationales Freizeitvergnügen akzeptiert ist, ein anderes Mal. Schließlich leben wir nicht in Japan und hierzulande heißt der Nationalsport ja Konsumkritik. Nur: Wer überfüllt dann eigentlich all diese Geschäfte in Wien?) Egal. Als mir danach beim kollektiven Beutebeschauen im Kaffeehaus kurz die Rechnungszettel (wie uncool!) in die Finger gerieten, machte ich mich durch dumme Fragen zum dummen August.

Kabelsalat

Ich hatte nämlich – unter anderen – ein Kabel gekauft. Vom DVD-Player zum Fernseher. Scart-Stecker. Oder Euro-AV. Je nach Verkäufer. Mein Wunsch, damit zehn Meter zu überbrücken, wurde in zwei Shops als Unverschämtheit aufgefasst. Im Dritten legte man mir zwei vier Meter-Schläuche und einen Zwischenstecker vor: Pro Kabel 51 Euro. Der Stecker noch mal 14. DVD-Player - gleich im nächsten Regal – gibt es ab 109 Euro. Oder weniger.

Neben den Viermeterkabeln um 51 Euro hing ein anders Kabeltrum: Von Euro-AV auf drei Cinch-Stecker. 10 Meter, vom gleichen Hersteller und um 11,99. Und auch wenn ich weiß, dass drei Cinche etwas anderes sind als ein Scart, weiß ich auch, dass drei Cinch-Kupplungen zum DVD-Betrieb ausreichen. (Erstens: Weil. Zweitens: Es stand auf der Packung.)

Adapter

Der Verkäufer behauptete mit an Aggressivität grenzender Inbrunst das Gegenteil – und ließ mich uneinsichtigen schlussendlich alleine stehen: Dass ich ein weiteres Adapter-Teil brauchen würde (zurück auf Scart, hinein in den Fernseher) hätte er mir von sich aus sicher nicht verraten – aber er war (sah ich später auf den Preiszetteln) aus einem anderen Grund geflohen: Der kabellose Adapter, der das selbe Firmenlogo trägt und im Prinzip das selbe kann wie das zehn Meter Kabel (Euro-AV auf dreimal Cinch übersetzen nämlich) kostet zwei Euro mehr als sein funktionsidenter, langer Bruder. Und da hätte ich gerne den Fachmann dazu befragt.

Aber scheinbar bin ich wirklich nur ein Blödmann. Weil ich mich weiter wunderte. Auf dem Tisch lagen noch ein paar Rechnungen. Schwarze Herrensocken: zwölf Euro neunzig. Eine Markenjeans: 19.90. Eine (Damen) Fleeceweste: 6.99, ein Damen-T-Shirt (selbes Modehaus, selbe Sub-Marke, beides nicht im Abverkauf): 8,99 Euro. Irgendwie, gestand ich, würden die Preisrelationen meinen Horizont übersteigen. Ich wurde ausgelacht.

Paris

Nur B. lachte nicht – sondern setzte noch eins nach: Sie sei, erklärte sie, gerade in Paris gewesen. Für 27 Euro. Oder 29. oder so ähnlich. Dafür mit einem Zwischenstopp auf einem deutschen Flughafen. In Paris habe sie dann – auch abseits der Boulevards - kein Kaffeehaus gefunden, in dem sie weniger als sieben Euro für eine kleine Tasse Kaffee hingelegt hätte. In einer kleinen Bar habe sie dann für ein Cola-Citron elf Euro berappt: Auf Nachfrage habe man ihr erläutert, dass der halbe Fingerhut frischgepressten Zitronensaftes eben fünf Euro koste.

Wir sollten nicht so provinziell und kleinlich sein, fuhr uns P. an: Paris, sei doch immer schon teurer gewesen als die Kleinstadt Wien. Aber B. (die jahrelang in Paris gewohnt hat) ließ das nicht gelten: Das Gefühl, auf dem falschen Planeten rechnen oder Verhältnismäßigkeiten herzustellen gelernt zu haben, habe damit doch nichts zu tun – außerdem hätte ihr Rückflug Paris – irgendeine deutsche Stadt – Wien exakt soviel gekostet habe, wie die anschließende Taxifahrt vom Flughafen zurück nach Hause.