Frankfurt/Main - Der "Kannibale von Rotenburg" hat in einem erneuten Geständnis jede Tötungsabsicht bestritten. Er habe den Ingenieur Bernd B. bereits für tot gehalten, als er ihm mit einem Messer in den Hals gestochen habe, erklärte der Angeklagte Armin Meiwes am Montag in der Neuauflage seines Prozesses vor dem Frankfurter Landgericht.

"Hass, Wut und Glück"

Erst zwei Tage später habe er auf dem Dokumentationsvideo gesehen, dass der Ingenieur zu diesem Zeitpunkt noch flach atmete. "Diese Szene ist auch für mich schrecklich." Vor dem Stich in den Hals habe er Gott um Vergebung für sein Opfer und sich gebeten, sagte der 44-Jährige. Er habe gleichzeitig "Hass, Wut und Glück" empfunden.

Der Computertechniker aus dem osthessischen Rotenburg an der Fulda muss sich bereits zum zweiten Mal wegen Mordes verantworten, nachdem der Bundesgerichtshof (BGH) das erste Urteil des Landgerichts Kassel zu achteinhalb Jahren Haft wegen Totschlags aufgehoben hat. Die Staatsanwaltschaft will eine Verurteilung wegen Mordes erreichen, die auch der BGH nahe gelegt hat. Die Verteidiger sehen in dem blutigen Geschehen aus dem März 2001 hingegen eine eindeutige Tötung auf Verlangen mit einer Höchststrafe von fünf Jahren Haft.

Zur "Schlachtung" gedrängt

Meiwes hielt daran fest, dass ihn sein Opfer zu der vorhergehenden Penisamputation und zur "Schlachtung" gedrängt habe. "Ich habe nur seine Wünsche umgesetzt", sagte der korrekt auftretende Angeklagte ohne erkennbare Emotionen. "Essen wollte ich ihn, töten wollte ich ihn aber nicht." Er habe gehofft, dass der Ingenieur nach der Amputation am Blutverlust "von selbst stirbt" oder sich aus dem Fenster stürzt. Nach der Darstellung des Angeklagten war der 43-Jährige noch etwa neun Stunden bei Bewusstsein. Er habe die Blutung selbst stimuliert und immer wieder verlangt, dass Meiwes ihn töten solle, sobald er ohnmächtig werde.

Detaillierter als im ersten Prozess beschrieb der frühere Zeitsoldat Meiwes, wie sich die beiden Männer im Internet kennen gelernt hatten. Dort hatte der Angeklagte Suchanzeigen für "Schlachtopfer" aufgegeben. In der intensiven Internet-Kommunikation habe der Berliner ihn immer wieder gedrängt, die geplante Tat auch wirklich umzusetzen. So habe er geschrieben: "Ich hoffe, du meinst es wirklich ernst, weil ich es wirklich will."

Festmahl

Nach der Tat habe er sich zunächst einen Tag lang erholen müssen, schilderte Meiwes, der nach eigener Aussage angeblich seit früher Jugend entsprechende Fantasien hegt. Er habe am folgenden Tag mit Kerzen, Tischwäsche und dem gutem Besteck ein Festmahl gestaltet. Beim Betrachten des Videos habe er ausschließlich bei Szenen onaniert, in denen die Männer Zärtlichkeiten ausgetauscht hätten. Dies könnte in der Frage eine Rolle spielen, ob er gemordet hat, um seinen Sexualtrieb zu befriedigen.

Meiwes appellierte an Menschen mit Kannibalismus-Fantasien, sich in die Hände von Seelsorgern oder Psychologen zu begeben. "Wir haben im Internet keine Befreiung gefunden, sondern uns gegenseitig hochgeschaukelt", fasste er seine Erfahrungen zusammen. Er habe sich erst frei gefühlt, als er sich im Gefängnis einem Psychologen anvertrauen konnte. Auch nach der Bluttat hatte er mehrfach angeblich sterbewillige Männer zu "Rollenspielen" auf seinem Hofgut Wüstefeld bei Rotenburg empfangen. Sie seien alle freiwillig gekommen und hätten das Haus auch unversehrt wieder verlassen. (APA/dpa)