Zölibatär lebend, bekennend homosexuell: Pater Karl Helmreich verbittert die Instruktion des neuen Papstes.
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Wien - Pater Karl Helmreich lächelt nicht, wie sonst zumeist. Statt ausgeglichen und zugetan blicken seine Augen zornig, wenn er über "diese totale Verlogenheit" spricht, die in der römisch-katholischen Kirche "jetzt noch stärker um sich greift". Jetzt, wenige Wochen nachdem Papst Benedikt XVI. die Instruktion über den Umgang mit homosexuellen Klerikern veröffentlichen ließ - als erste Vorschrift in seiner Amtszeit.

Als Priester und Priesteramtsanwärter nicht geeignet ist demnach, wer "homosexuelle Akte" vollzieht, "tiefsitzende homosexuelle Tendenzen" aufweist oder die "Gay Kultur unterstützt". "Da wäre einer, der im Priesterseminar offen über sein Schwulsein spricht, ja wahnsinnig", sagt der 67-jährige Chormönch des Stifts Melk. Dass der neue Papst es zulasse, "diesen Wahnsinn fortzuschreiben", verbittere ihn sehr.

Persönlich, so erzählt er, sei er sich "zwischen dem 30. und 40. Lebensjahr" über seine Liebe zu Männern klar geworden - noch vor seinem Eintritt ins Stift. "Ich hatte lange Kämpfe, um mich so annehmen zu können, wie ich bin", erzählt der einstige Fabriksarbeiter, der sich später zum Sozialarbeiter ausbilden ließ. Jetzt lebe er zölibatär, "das ist meine Gewordenheit".

Dass die sexuellen Bedürfnisse, die er nicht auslebt, gleichgeschlechtlich sind, habe er seinen Mitbrüdern erst nach mehreren Jahren mitgeteilt. Danach kam es zu gröberen Problemen. Kurz nach seinem Coming-out im Rahmen eines Interviews in der Linzer Kirchenzeitung habe es "so ausgeschaut, als ob ein großer Teil meiner Mitbrüder sich von mir trennen wolle". Nur die Vertagung einer raschen Entscheidung und "solide Arbeit" im Dienste des Ordens hätten ihn vor einem Ausschluss bewahrt.

Heuchelei

Was jedoch - so Helmreich - lerne ein Kleriker oder einer auf dem Weg dorthin, der heutzutage mit dem Schwulsein ringt, aus der vatikanischen Instruktion? "Doch nur, dass er sich ja nichts anmerken lassen darf", antwortet der Pater auf seine eigene Frage. Das wiederum zwinge zur Heuchelei, führe zu genau jener "besonderen Atmosphäre in den Priesterseminaren", gegen die der Vatikan im Grunde angehen wolle: zur Allgegenwärtigkeit des Themas Sexualität, obwohl keiner offen darüber spricht. Nicht über gleichgeschlechtliche Liebe, nicht über gelebte heterosexuelle Beziehungen, nicht über "das Leiden der Partner" unter diesen Verhältnissen.

Wobei Homosexuellen jetzt per Instruktion auch noch zusätzlich ausgerichtet worden sei, dass sie "wegen mangelnder psychischer Reife zur seelsorgerischen Begleitung anderer Menschen nicht geeignet sind". Das - so Helmreich - trage eindeutig die Handschrift von Psychologen aus dem angloamerikanischen Raum, die von möglicher "Heilung" gleichgeschlechtlicher Bedürfnisse ausgehen.

Ein Denkansatz, der laut Joop Roeland, Rektor der Ruprechtskirche in Wien und Seelsorger für gleichgeschlechtlich Liebende dem aktuellen psychologischen Erkenntnisstand nicht entspricht, "wie überhaupt das gesamte Dokument". Erich Leitenberger, Sprecher der Erzdiözese Wien, relativiert: "Hier geht es um Bekehrungserlebnisse von Homosexualität, um den Versuch, andere auf diesen Weg einzuladen."

Die Instruktion - so Leitenberger - sei "vor dem Hintergrund nordamerikanischer Verhältnisse zu lesen, wo es in Priesterseminaren zu so etwas wie zu homosexuellen Subkulturen gekommen ist". Die "unangenehmen Erscheinungen" in der Diözese St. Pölten seien im Vergleich dazu nur am Rande von Relevanz.

Basisarbeit

Pater Helmreich bezweifelt das stark: Der St. Pöltner Skandal habe die Inhalte des Papiers sicher mitbestimmt. Doch in "Veränderungen der kirchlichen Strukturen" und ihrer Äußerungen will er ohnehin "keine Kraft mehr verschwenden". In der Kirche aktiv werden lohne sich "nur auf der unteren Ebene", bei den Gläubigen selbst.

Nicht zufällig habe die vom ihm Ende der 1980er-Jahre mit gegründete Initiative "Homosexualität und Kirche" (Huk) vor fünf Jahren ihren Namen in "Homosexualität und Glaube" (Hug) verändert: "Den Glauben nämlich kann uns niemand absprechen". (DER STANDARD, Printausgabe, 16.1.2006)