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SPD: "Langfristig können Wohlstand und Gerechtigkeit nur gesichert werden, wenn wir in Kinder investieren"

foto: ap/MICHAEL PROBST
Mainz - Die regierenden deutschen Sozialdemokraten wollen sich mit einer Offensive in der Familien- und Bildungspolitik stärker vom Koalitionspartner Union abgrenzen. In einem am Montag auf der Parteiklausur in Mainz einstimmig verabschiedeten Positionspapier fordert die SPD Beitragsfreiheit für Kindergartenplätze und einen Rechtsanspruch auf Kinderbetreuung ab dem zweiten Lebensjahr. Außerdem sollen Untersuchungen im Vorschulalter Pflicht werden. Generalsekretär Hubertus Heil sagte dazu, soziale Gerechtigkeit und wirtschaftliche Dynamik seien keine Gegensätze.

Forderungen übernommen

Für beitragsfreie Angebote an Kindertagesstätten setzt sich auch die deutsche Familienministerin Ursula von der Leyen (CDU) ein. "Frau von der Leyen hat unsere langfristigen Forderungen übernommen", sagte Heil. Von anderen Unionspolitikern kamen jedoch negative Signale zum Vorstoß der Ministerin. Auch die FDP wies den "charmanten Vorschlag" wegen angeblicher Unfinanzierbarkeit zurück, während die kirchlichen Trägerorganisationen von Kindergärten ihn begrüßten. Die SPD machte in ihrem Papier keine näheren Angaben zur Finanzierung der Gratis-Kindergärten, sie solle auf Bund, Länder und Gemeinden verteilt werden, hieß es lediglich.

In diesem Zusammenhang forderte die SPD auch Nachbesserungen bei der jüngst von der Regierung beschlossenen steuerlichen Absetzbarkeit von Kinderbetreuungskosten. Für alle Kinder sollten die Betreuungskosten bereits ab dem ersten Euro abgesetzt werden können, sagte SPD-Vorstandsmitglied Kerstin Griese. Um Mehrkosten zu vermeiden, solle der absetzbare Betrag im Gegenzug bei 1.000 oder 1.500 Euro statt 4.000 Euro gedeckelt werden. Nach dem Kabinettsbeschluss sind Betreuungskosten für Kinder unter 14 Jahren erst ab 1.000 Euro im Jahr absetzbar.

In Kinder investieren

Heil sagte, langfristig könnten Wohlstand und Gerechtigkeit nur gesichert werden, "wenn wir in Kinder investieren". "Nur eine kinderfreundliche Gesellschaft ist dynamisch und wachstumsstark", heißt es in dem neunseitigen Papier. Jungen Frauen müsse es leichter gemacht werden, sich ihren Kinderwunsch zu erfüllen. "Genauso wichtig ist aber auch, dass wir kein einziges Kind auf seinem Entwicklungsweg zurücklassen."

Vor allem der linke SPD-Flügel hatte auf eine stärkere Profilierung der SPD als Familienpartei gedrängt und davor gewarnt, dass die Union das Thema besetze. Die SPD sei programmatisch bei den Themen Familie und Bildung "weit vor anderen Parteien", meinte Heil. Auch der rheinland-pfälzische Ministerpräsident Kurt Beck wies solche Bedenken zurück. "Ich bin sicher, dass die Menschen schon wissen, wo das Original ist und wo die Kopie", sagte er im Hessischen Rundfunk.

Gesundheitspolitik

In der Gesundheitspolitik lässt setzt die SPD weiter auf eine solidarische Absicherung im Krankheitsfall und Stärkung der Prävention. Heil sagte: "Es geht nicht darum, mehr Geld in das System zu pumpen." Die Lasten der Zukunft müssten auf breitere Schultern verteilt werden, fordert die SPD einen Ausgleich zwischen privater und staatlicher Krankenversicherung.

Im Papier verlangt die SPD-Spitze außerdem eine umfassende Schulreform, damit Klassenwiederholungen reduziert und die Durchlässigkeit zwischen den einzelnen Schulformen verbessert werden. Die Tarifpartner werden aufgefordert, familiengerechte Arbeit zum Thema ihrer Tarifverhandlungen zu machen. Als Beispiel werden die skandinavischen Länder angeführt, die durch Flexibilität eine familienfreundliche Arbeitswelt erreicht hätten.

Um mögliche Entwicklungsstörungen frühzeitig zu erkennen, sollen Untersuchungen für Kinder im Vorschulalter zur Pflicht erhoben werden. Finnland und Frankreich werden als positive Beispiele genannt. (APA/AP/AFP)