Dialektunterricht an Schulen könnte nach Meinung von Linguisten Vorteile für die SchülerInnen bringen.

Dialekt soll "g´scheit" machen, er verhelfe zu besserer Auffassungsgabe und fördere abstraktes Denken und die Sprachvielfalt. Das sind die Argumente des Münchner Linguisten Wolfgang Schulze, der laut einem Artikel im Spiegel Online eine radikale Reform für Deutschlands Schulen vorgeschlagen hat: Den zweigeteilten Deutschunterricht. Die Kinder sollten in ihrem regionalen Dialekt schreiben und lesen lernen und parallel dazu auch Hochdeutsch vermittelt bekommen. Im Unterricht werde die Umgangssprache häufig stigmatisiert und die Kinder könnten dadurch sogar Störungen entwickeln.

Deutsche Dialektregionen besser bei PISA

Tatsächlich, die süddeutschen Dialektregionen Bayern, Sachsen und Baden-Württemberg haben im PISA-Test besser abgeschnitten als andere Bundesländer. In Österreich lagen die 15- bis und 16-Jährigen beim PISA-Test 2003 in der Lesekompetenz unter dem OECD-Schnitt, sinkende Kompetenzen wiesen sie in der Naturwissenschaft auf und bei Mathematik lagen sie im Durchschnitt. Für Österreich gibt es aber laut dem Projektzentrum für Vergleichende Bildungsforschung aufgrund der Stichprobe keine regionalen Vergleichswerte, die einen Leistungsvergleich auf Bundesländerebene zulassen würden.

"Ein alter Hut"

"Das ist ein alter Hut, ich vertrete das permanent", sagt Dialektautorin El Awadalla zu den Überlegungen des Münchner Linguisten im Gespräch mit derStandard.at/Schule. Man müsse ja nicht nur im Dialekt unterrichten, sondern könne dies auf zwei Schienen tun, so ihr Vorschlag. Beides solle unterrichtet werden. Allerdings sollte nur die gesprochene Sprache im Dialekt unterrichtet werden, wenn es nach der Autorin geht, denn es sei auch wichtig, dass man Hochdeutsch schreiben kann. Auch Rudolf Muhr vom Institut für Germanistik an der Karl-Franzens-Universität in Graz kann dem Vorschlag aus Deutschland viel abgewinnen. Im Gespräch mit derStandard.at/Schule erklärt er: "Für Österreich wäre es überhaupt die beste Lösung, die gesprochene Sprache zu verschriften und analog dazu die überregionale Schriftsprache des Deutschen weiterhin zu unterrichten."

Vorteile für Schule und Gesellschaft

Muhr sieht viele Vorteile in einem zweigeteilten Deutschunterricht: In der Gesellschaft würde das Problem "was ist richtig, was ist falsch" wegfallen und für die Kinder wäre es eine "ungeheure Erleichterung, sie würden viel unbefangener und mit mehr Freude an die Sprache herangehen". Er ortet überhaupt falsche Schwerpunktsetzungen im Unterricht: "Es geht nicht um den Inhalt, es geht um die Form." Dieser "Formterror" gehöre aus der Sprache weggenommen.

Davon, dass der zweigeteilte Unterricht abstraktes Denken und die Auffassungsgabe verbessern soll, ist Muhr allerdings nicht überzeugt, er sieht die Sache so: "Wenn ich nicht gehemmt bin, nehme ich schneller etwas auf und gebe schneller etwas von mir, das beschleunigt den Lernprozess und ergibt eine größere kognitive Förderung." El Awadalla sieht den zusätzlichen Lerneffekt positiv, dass die SchülerInnen im Dialekt andere Vokabeln und eine andere Grammatik dazulernen, ähnlich dem Erlernen einer Fremdsprache.

"Prolosprech" und "Sprachverweigerung"

"Bei uns ist Dialekt noch immer "Prolosprech" und das stimmt einfach nicht", ist El Awadalla überzeugt. Sie stört vor allem die Stigmatisierung des Dialekts in Österreich. Dass viele Eltern glauben, sie müssten mit ihren Kindern nach der Schrift reden, hat sie bei ihrer "Feldforschung" an Sandkisten erlebt: "Das ist wirklich zum "Zeachnnäglaufrolln", was die Leute so reden". Sätze wie "Jetzt gib eine Ruh" oder "Nachher haust die Schäla in den Mistkübel dada" seien weder Dialekt noch Hochdeutsch.

Zustimmende Worte findet Muhr und kritisiert die sogenannte "Sprachverweigerung": "Oben ist die heilige Hochsprache, unten ist der schlimme Dialekt, den nur die gemeinen "normalen" Menschen sprechen und dazwischen ist etwas, was wir nicht genau wissen, aber auch nicht wollen."