Brüssel/Wien - Für die polnische Regierungspartei PiS, die rechtskonservative "Partei für Recht und Gerechtigkeit", würde der österreichische Ratsvorsitz lediglich Zeit verschwenden, wenn er die "tote" EU-Verfassung wiederzubeleben versuche. Wien sollte sich vielmehr auf dringlichere Dinge, wie die umstrittene Dienstleistungsrichtlinie, konzentrieren, sagte PiS-Sprecher Adam Bielan gegenüber "EUobserver" am Montag.

Da die Verfassung von allen Mitgliedstaaten ratifiziert werden müsse, sei die Sache nach der negativen Entscheidung Frankreichs und der Niederlande erledigt, meinte Bielan. Der hochrangige PiS-Funktionär Artur Zawisza erklärte, seine Partei habe zu dem Thema bisher kein offizielles Statement abgebeben, weil sie mit den wirklichen Problemen beschäftigt sei, nicht mit Dingen, die praktisch keine Chance auf Erfolg hätten.

Die PiS-Vertreter reagierten damit auf die Feststellung der österreichischen EU-Ratspräsidentschaft, wonach die Verfassungscharta trotz der negativen Referenden in Frankreich und den Niederlanden noch nicht tot sei. Deutschland, Portugal und Slowenien teilen diese Einschätzung. Der französische Präsident Jacques Chirac hat vorgeschlagen, Teile der Verfassung zu retten und Änderungen vorzunehmen. Die Niederlande dagegen widersetzen sich jeder Wiederbelebung der Verfassung. Spanien, das als erstes Land den Text in einer Volksabstimmung ratifiziert hat, ist gegen jede Änderung.

Zeitverschwendung

Bielan betonte, Österreich sollte keine Zeit auf ein altes Dokument verschwenden, sondern sich vielmehr auf die Schaffung eines neuen konzentrieren. Die Äußerungen Chiracs bezeichnete der PiS-Sprecher als "Traum eines abgetrennten Kopfes". Die polnische Führung sei vielmehr interessiert zu wissen, was Deutschland und Frankreich über die Dienstleistungsrichtlinie und die europäische Energieversorgung denken.

Es werde noch "Jahre" dauern, ehe eine neue Verfassung ausgearbeitet werden könne. Ein solches Dokument sollte von den Mitgliedstaaten auf Regierungsebene entworfen worden, nicht wie zuvor von einem Expertenkonvent. Der Prozess sollte damit beginnen, die aktuellen öffentlichen Meinungen einzuholen, um die Kluft zwischen den Bürgern und der politischen Elite Europas zu überwinden, die ja der Grund für den negativen Ausgang der Volksabstimmungen gewesen sei.

Zawisza warnte unterdessen, dass sich Warschau jedem Versuch widersetzen werde, die im Vertrag von Nizza geregelten Stimmgewichtungen unter den Mitgliedstaaten zu ändern. Der Nizza-Vertrag räumt Polen mehr Stimmgewicht ein, als dies in der EU-Verfassung vorgesehen wäre, die sich strikt nach der Bevölkerungsgröße richtet. (APA)