Wien - Internationale deutschsprachige Medien berichten am Dienstag über den Ausgang des Schiedsgerichtsverfahrens im Streit über die Klimt-Gemälde aus der österreichischen Galerie.

die tagezeitung

Adele Bloch-Bauer wohnt hier nicht mehr" betitelt die Berliner "taz" ihren Artikel: "Nicht den längst zur Ikone geratenen Kuss, aber immerhin das zweitberühmteste Bild des Jugendstil-Künstlers muss das Museum im barocken Schloss des Prinzen Eugen von Savoyen wahrscheinlich bald hergeben (...) Auch ein zweites Porträt von Adele Bloch-Bauer im blauen Gewand sowie drei Landschaftsbilder desselben Künstlers wurden gestern von einem Schiedsgericht überraschend der betagten Erbin der Porträtierten zugesprochen."

Maria Altmann habe sich damit in einem mehr als sechsjährigen Rechtsstreit "auf der ganzen Linie durchgesetzt". (...) Was der Spruch für die umkämpften Bilder bedeute, sei noch nicht klar, da Altmann sich dazu nie klar geäußert habe. "Wahrscheinlich ist aber, dass zumindest eines der Werke, deren Gesamtwert auf über 200 Millionen Euro geschätzt wird, zur Versteigerung kommt. Schließlich hat die Klägerin Verfahrens- und Anwaltskosten von mehreren Millionen Dollar zu begleichen. Dass die weltberühmten Gemälde in der Villa Frau Altmanns in Los Angeles verschwinden, ist aber wenig wahrscheinlich. Ob sie von Privatsammlern ersteigert, von Museen in den USA angekauft oder vielleicht doch gegen finanzielle Entschädigung im Belvedere verbleiben dürfen, ist derzeit völlig ungewiss. Ziemlich sicher wird aber in den nächsten Wochen die Besucherzahl der Österreichischen Galerie in die Höhe schnellen."

Neue Zürcher Zeitung

Eine "verpasste Chance" sieht die "Neue Zürcher Zeitung" im sechsjährigen "Kampf zwischen der Republik Österreich und einer österreichisch-jüdischen Emigrantin um die fünf wohl bedeutendsten Klimt-Gemälde der Österreichischen Galerie Belvedere". Altmann habe einen Vergleich angeboten, "der aber von der Republik zurückgewiesen wurde. Die Ministerin verwies Altmann auf den Rechtsweg im Zivilverfahren - wohl in der Hoffnung, dass sich die Erbin wegen der damit verbundenen immensen finanziellen Lasten kaum darauf einlassen werde. (..) Wäre man in Wien seinerzeit auf das Vergleichsangebot Altmanns eingegangen, hätte man dem österreichischen Steuerzahler beträchtliche Summen und vor allem das jetzige Resultat erspart, das dazu führen könnte, dass die Republik einige ihrer prominentesten Kunstschätze und Touristenattraktionen verliert."

"Doch in Wien war man am Montag tapfer bemüht, das Gesicht zu wahren und die Niederlage in einen Erfolg und in eine Geste der Grosszügigkeit gegenüber den jüdischen NS-Opfern und deren Nachkommen umzudeuten", so die NZZ weiter. Nationalratspräsident Andreas Khol (V) habe gegenüber der NZZ von einer "fairen und sauberen Lösung" gesprochen, laut dem Direktor der Österreichischen Galerie Belvedere, Gerbert Frodl, werde intensiv über einen Rückkauf von einigen der Bilder nachgedacht. "Angesichts dieser Äusserungen ist nicht auszuschliessen, dass hinter den Kulissen bereits eine Einigung zwischen den Bloch-Bauer-Erben und der Republik Österreich über den künftigen Verbleib der Klimt-Bilder angebahnt wurde."

>>>Heimische Medien

Heimische Medien

Überwiegend positiv kommentierten die österreichischen Medien am Dienstag bisher die bekannt gegebene Entscheidung des Schiedsgerichts. Allgemein wird die Rückgabe der Bilder aus der Österreichischen Galerie Belvedere an die Erbin erwartet und auch gut geheißen. "Gerechter Ausgang eines schmerzhaften Prozesses", heißt es etwa in der "Presse", in der auch Artur Rosenauer in einem Kommentar meint: "Als Kunsthistoriker sehe ich in dem Verlust der Bilder so etwas wie einen kulturellen Supergau".

STANDARD: Thema der Restitution noch nicht beendet

Im "STANDARD" schreibt Hubertus Czernin: "Auch wenn Kulturministerin Elisabeth Gehrer und die Finanzprokuratur zunächst keinen Kommentar abgeben wollten: Da die Republik zusicherte, den Spruch des Schiedsgerichts zu akzeptieren, hat sie die fünf Klimt-Gemälde, die sich seit der NS-Zeit in der Österreichischen Galerie befinden, zurückzugeben". Dennoch sieht Czernin das Thema der Restitution von Kunstwerken in Österreich als noch nicht beendet an.

"Es gibt zumindest zwei Entscheidungen des Beirates aus den vergangenen Jahren, die neuerlich aufgerollt werden müssen: Ein Gemälde Edward Munchs, das bis 1938 Alma Mahler-Werfel gehört hatte und später in den Besitz der Österreichischen Galerie kam und aus formalrechtlichen Gründen nicht rückgestellt wurde, sowie zwei Waldmüller-Gemälde aus der Sammlung Felsövanyi, deren Rückgabe ebenso vor wenigen Jahren verweigert wurde".

Kleine Zeitung: "Kein Grund zum Stolz"

Die "Kleine Zeitung" titelt in ihrem Kommentar: "Kein Grund zum Stolz: Die Republik und die Restitution". Weiter: "Adele Bloch-Bauer wollte die Gemälde der genannten Galerie vermachen. Nichts ändert das aber daran, dass die Entscheidung überfällig war und zu respektieren ist". In der "Neuen Kronen-Zeitung" wird ein Zitat Gerbert Frodls, Direktor der Österreichischen Galerie Belvedere, zum Titel: "Ein großer Schaden für Österreich!"

Salzburger Nachrichten meinen rückblickend: "bestürzend, dass dies jahrzehntelang niemanden störte"

Die "Salzburger Nachrichten" meinen: "Es ist zu begrüßen, dass unser Land nicht länger willens ist, sich mit Diebsgut herauszuputzen. Doch es ist bestürzend, dass dies jahrzehntelang niemanden störte". Und am Schluss: "Ganz am Rande sei die Frage gestattet, ob die Republik Österreich heute auch dann derartig einsichtig wäre, stünde hinter der Klägerin nicht das US-Rechtssystem mit all seinen Möglichkeiten - von der Sammelklage über die Beschlagnahme bis hin zur Ausübung wirtschaftlichen Drucks auf Österreich".

Neue Vorarlberger Tageszeitung hofft auf österreichische Heimstätte der Bilder

Die "Neue Vorarlberger Tageszeitung" hofft: "Und die Zukunft der Bilder? Sollte das eine oder andere in Österreich bleiben, wäre das schön. Für Klimts Genie lässt sich allerdings auch anderswo werben".

Die Presse: Vom moralischen Standpunkt handelte Österreich nicht korrekt

In seinem Leitartikel in der "Presse" meint Norbert Mayer: "Maria Altmann darf fünf Klimt-Bilder erben. Österreich verzichtet auf einen Schatz und gewinnt an Image". Und weiter: "Man möchte meinen, dass nach diesem besonderen Verlauf der Geschichte nicht nur der Wille Adele Bloch-Bauers, sondern auch der ihrer Erben hätte zählen sollen, aber es dauerte mehr als 60 Jahre, bis sich diese Meinung durchsetzen konnte. Bis 2005 hat die Republik mit allerlei Winkelzügen behauptet, der rechtmäßige Besitzer der von den Nazis konfiszierten Bilder zu sein. Das war zwar nach den Buchstaben des Gesetzes korrekt, nicht aber vom moralischen Standpunkt aus".

Presse-Gastkommentar Artur Rosenauer: Klimt-Bilder sind für Österreich unersetzbar

In einem Gastkommentar in der "Presse" meint Artur Rosenauer: "Die Klimt-Bilder sind für Österreich unersetzbar - wie die Nachtwache für die Niederlande oder der Schwur der Horatier für Frankreich".

Tiroler Tageszeitung: Ob sich Österreich einen Rückkauf dieserleisten kann?

Die "Tiroler Tageszeitung"meint: "Was wird Altmann nun mit ihren fünf Klimts machen? In ihrem Wohnzimmer in Los Angeles wird sie die alte Dame sicher nicht aufhängen. Ob sich Österreich einen Rückkauf dieser Ikonen der österreichischen Kunstgeschichte leisten kann oder ein Deal mit Altmann ausgehandelt wird, wird sich zeigen. Es bleibt spannend". (APA)