Eine Frau verabschiedet ihren Mann per SMS aus dem Leben. Zwei unauffällige Jugendliche schlachten ihn auf Befehl ab. Alle drei sind geständig: 20 Jahre Haft für die Ehefrau, 15 Jahre für die Mittäter.

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Wien – "Leben und leben lassen, war meine Devise", sagt die Angeklagte unter Gelächter des Publikums im überfüllten Gerichtssaal. Drastischer kann man seinen Devisen wohl nicht untreu werden. Die zierliche 35-jährige Frau (Mutter dreier Kinder) ließ, wie sie offen und unverblümt zugibt, ihren sekkanten Ehemann umbringen. "Vernichte die Spinne", lautete der Auftrag – eine der berüchtigtsten SMS-Nachrichten der heimischen Kriminalgeschichte. Da gab es zwei junge Vertraute der Frau, die tatsächlich bereit waren, den Auftrag zu erfüllen. Als der Tag und die SMS gekommen waren, vernichteten sie "die Spinne" mit 58 Messerstichen.

"Er war immer das Bärli"

"Das ist der erste Prozess, den ich erlebe, der wirklich ein Plot für ein Hollywood- Drehbuch sein könnte", stellt der beisitzende Richter fest. Die Hauptrollen sind mit sonderbar zwiespältigen Charakteren besetzt. Die jugendlichen Angeklagten wirken wie ein Statisten-Duo von Oliver Hardy und Stan Laurel, als hätten sich diese in den falschen Film verloren. Über Thomas (18) sagt sein Verteidiger: "Er war immer das Bärli, der Gutmütige, bei dem sich alle ausweinen haben können." Seit der Kindheit habe der Dicke Spott hinnehmen müssen, aber nie sei er "auch nur im Entferntesten in die Nähe von Gewalt gerückt".

Fragen um Gewaltorgie

Auch der hagere Michael (18), Spitzname "Burgenländer", wird als konfliktscheu und still beschrieben. "Bei ihm muss man im Niveau ein bisserl runtergehen", bemerkt sein Anwalt, der sich überdies auch der Psychologie des Krimis annimmt: "Wie die Gewaltorgie vor sich gegangen ist, interessiert hier keinen", glaubt er. Die spannende Frage sei: "Sind ganz normale Menschen unter bestimmten Umständen zu etwas fähig, von dem man nie geglaubt hätte, dass sie es sind."

Diese Frage führt zur Hauptperson zurück, jener kleinen, bieder erscheinenden Frau mit kurzen Haaren und Brillen. Ihr Anwalt schätzt sie als "unbescholtene, treu sorgende Ehefrau und gute Mutter, die versucht hat, ihr Leben zu meistern, was ihr nicht immer leicht gefallen ist". Letzteres beweist ihr turbulentes Eheleben. Aus erster Ehe brachte sie zwei Töchter mit, die zweite Ehe mit dem späteren Mordopfer war schon einmal geschieden (das Sorgerecht für ihr drittes Kind erhielt übrigens der Vater), ehe sie ihn Anfang 2004 ein zweites Mal heiratete. Und das obwohl sie sich von ihm ständig beschimpft, gedemütigt und bedroht fühlte.

"Seelenverwandte"

"Er ist wegen jeder Nichtigkeit ausgerastet, egal ob das Essen angebrannt war oder ob der Kleine im Winter einen Schnupfen gehabt hat." Warum sie ihn dann noch einmal geheiratet hat? – "Ich habe gehofft, dass alles besser wird." Die Jugendlichen waren ursprünglich Freunde des Mannes. Als sie eine Woche bei der Familie wohnten, wurden sie auf die Sorgen und Ängste der Frau sensibel. "Sie war für mich wie eine Seelenverwandte", sagt "Bärli" Thomas: "Sie hat mich verstanden, egal, was ich gesagt habe." Umgekehrt habe er mitgekriegt, "wie sehr sie unter diesem Mann gelitten hat". Und schließlich sprach sie es offen aus: Er gehöre aus dem Weg geräumt. Für Thomas hieß das, "dass ich ihn umbringen soll oder so was in der Art".

Als es so weit war

Am 18. August 2005, als der Mann wieder herumnörgelte, fiel dann das vereinbarte SMS-Stichwort "Vernichte die Spinne". ("Spinne" deshalb, weil er "immer in der Vergangenheit gestochert und alles ausgegraben hat", erklärt die Frau.) Thomas wusste, dass es so weit war. "Sie ist sich mit dem Finger über den Hals gefahren", erzählt er. "Dann hab ich ihr gedeutet, sie soll mir ein Messer bringen." Als es auf dem Tisch lag, habe er den Mann von hinten gepackt und "Burgenländer" geschrien, eine Aufforderung an seinen Freund, die Waffe zu ergreifen und dem Mann die Kehle durchzuschneiden.

Die Frau war inzwischen im Schlafzimmer ihrer Töchter und tröstete sie: Alles werde wieder gut. Dann ging sie rüber und fragte: "War's das?" – "Ja", erwiderte Thomas. Aber zur Sicherheit stach der Burgenländer noch einmal zu.

Haft für die Auftraggeberin

Die Geschworenen brauchten nur eine Stunde Zeit, um das Urteil zu fällen: 20 Jahre Haft für die Auftraggeberin, jeweils 15 Jahre für die Ausführenden. Erschwerend sei die "Brutalität bei der Tatausführung". Die Urteile sind nicht rechtskräftig, die Angeklagten erbaten sich Bedenkzeit. (Daniel Glattauer, DER STANDARD Printausgabe 19.1.2006)