Eckel: "Mit 33 Prozent Gesamtmobilität bei den Graduierten sind wir an der Spitze Europas"

Foto: www.sokrates.at
Europäische Mobilität hat einen Namen: Das Programm SOKRATES ist das Aktionsprogramm der Europäischen Union für den Bereich Allgemeine Bildung - und setzt sich aus den Bereichen Schulbildung (Comenius), Hochschulbildung (Erasmus) und Erwachsenenbildung (Grundtvig) zusammen. Gemeinsam mit dem Programm Leonardo da Vinci, dem Aktionsprogramm für den Bereich berufliche Bildung und dem Programm Jugend dient es als Instrumentarium zur Umsetzung der europäischen Bildungspolitik. Die ÖsterreicherInnen sind die mobilsten EuropäerInnen - Rund 33 Prozent der graduierten Studierenden nutzen die Programme.

***

derStandard.at: Wie erfolgreich sind die europäischen Mobilitätsprogramme?

Eckel: Ungefähr zehn Prozent der AbsolventInnen von österreichischen Hochschulen haben bereits Erasmussemester absolviert. In Summe mit den anderen Programmen kommen wir bereits auf 13 Prozent der Graduierten. Von der Anzahl der Studierenden ist Erasmus sicher das umfangreichste Programm. Rund 4000 unserer Einzelmobilitäten pro Jahr betreffen Erasmus.

derStandard.at: Wie reihen sich die anderen Programme ein?

Eckel: Jährlich 2000 Outgoings verzeichnen wir in Comenius, vor allem LehrerInnen, rund 1500 Jugendliche absolvieren Leonardo da Vinci-Praktika im Rahmen der Berufsausbildung, bei Grundtvig nützen etwa 500 pro Jahr die Möglichkeit zur Erwachsenenbildung. Grundtvig hat erst 2001 gestartet, daher sind die Zahlen noch relativ niedrig, aber wir erwarten hier signifikante Steigerungsraten.

derStandard.at: Seit wann gibt es diese europäischen Programme?

Eckel: Erasmus war das allererste Programm, dass in der EU Mobilität im Bildungssektor überhaupt gefördert hat. Seit 1987 gibt es diese Möglichkeit, Österreich war bereits vor dem EU-Beitritt, nämlich ab 1992 dabei.

derStandard.at: Wie war der Bekanntheitsgrad der internationalen Projekte zu Beginn?

Eckel: Nun, bekannt waren die Programme, wir haben allerdings sehr stark daran gearbeitet, die Bekanntheit von Sokrates in der österreichischen Öffentlichkeit zu forcieren. In Zahlen gesprochen waren es 1992 noch 892 Studierende, die als Outgoings ins Ausland gingen, jetzt sind es 4195.

Wir haben uns von 2002 auf 2005 um rund 1000 Studierende gesteigert. Das ist schon eine großer Schritt. Heute ist es in Österreich jedem Studierenden bewusst, dass er diese internationale Erfahrung braucht, um auf dem Arbeitsmarkt Chancen zu haben. Es gehört heute einfach dazu, diese Internationalität wird immer wichtiger.

derStandard.at: Waren die "Lieblingsländer" der ÖsterreicherInnen zu Beginn der Programme andere?

Eckel: Ländermäßig kann man ganz deutliche Tendenzen erkennen, dass nämlich damals ein Viertel nach Großbritannien ging, ein weiteres Viertel nach Frankreich. Das hat sich massiv geändert: Es haben sich die Präferenzen verschoben, es ist jetzt zum Beispiel Spanien das stärkste Einzelland. Das Vereinigte Königreich ist deutlich zurückgefallen.

derStandard.at: Wie beliebt sind heute die neuen EU-Beitrittsländer?

Eckel: Da gibt es signifikante Steigerungen in den letzten Jahren. Um die Plätze in gewissen Ländern reißen sich Studierende bereits, beispielsweise in Litauen. Mit ein Grund dafür ist, dass sich eine starke Mundpropaganda entwickelt, positive Berichte von ehemaligen AbsolventInnen steigern natürlich die Mobilität.

derStandard.at: Sind die ÖsterreicherInnen im Vergleich zu anderen Europäern reisefreudiger?

Eckel: Ja, von den Zahlen her auf jeden Fall. Mit 33 Prozent Gesamtmobilität bei den Graduierten sind wir an der Spitze Europas. Eine wirkliche Begründung dafür gibt es nicht, aber es könnte zum Beispiel mit der kulturellen Identität Österreichs zusammenhängen, die Internationalität immer schon gefördert und gefordert hat. Außerdem werden bei den Erasmusstudierenden die Mittel der Eu von Österreich de facto verdoppelt, was dazu führt, dass die Stipendien sehr gut bezahlt sind.

derStandard.at: Warum liegt Erasmus so weit vor den anderen Programmen? Sind Studenten flexibler?

Eckel: Studierende sind derzeit die einzige Gruppe, die die Einzelmobilität in diesem Umfang machen kann, bei Schulen beispielsweise können Lehrer und Schüler diese Mobilitäten nur im Rahmen eines Projektes machen. Ab 2007 sollen Schüler und Erwachsene auch alleine ins Ausland gehen können, wenn die EU die entsprechende Finanzierung zur Verfügung stellt.

derStandard.at: Sehen Sie die Mobilitätsprogramme als einen Beitrag zu einer europäischen Identität? Fühlt man sich europäischer, wenn man einige Semester im Ausland verbracht hat?

Eckel: Es wird jedenfalls die europäische Dimension der Bildung durch diese Programme gestärkt. Es wird bewusster, was es bedeutet, in einem anderen Land zu leben. Man lernt ein größeres Verständins für ein anderes Land uns eine andere Kultur, was auch die Akzeptanz fördert. Etwas, das ich nicht kenne, vor dem kann ich mich viel leichter fürchten, als vor etwas, was ich selbst erlebt und kennengelernt habe.

derStandard.at: Bekommen Sie Rückmeldungen von ehemaligen Outgoings?

Eckel: Bei Erasmus ist ein verpflichtender Erfahrungsbericht vorgeschrieben. Die Rückmeldungen sind im Grunde genommen sehr gut. Manchmal kann es natürlich vorkommen, dass die Betreuung an der Gast Uni nicht so gut ist, aber das sind Einzelfälle. Außerdem sind das Probleme, die die Heimatunis lösen können und müssen.

derStandard.at: Wie arbeitsintensiv ist ein Erasmus-Aufenthalt für den Studierenden?

Eckel: Wir verlangen das Erbringen von drei ECTS-Credits pro Monat. Das ist die Qualität die wir fordern, wir wollen Studiernde nicht auf bezahlte Ferien schicken. 100 bis 200 Studierende jährlich erbringen die notwendige Leistung nicht. Die müssen das Stipendium dann zurückzahlen, es wird aber natürlich jeder Einzelfall geprüft. Wenn es unverschuldete Gründe waren, wie beispielsweise Kursausfälle an der Partner-Uni, ist selbstverständlich keine Rückzahlung vorgesehen..

derStandard.at: Wie sehen Sie die Zukunft – wo liegen die zukünftigen Schwerpunkte der europäischen Mobilitätsprogramme?

Eckel: Ab 2007 ist vorgesehen, dass auch einzelne Erwachsene mobil werden können. Es herrscht aber noch eine gewisse Skepsis in der EU wie das genau aussehen soll. Ich glaube aber, dass in diesem Bereich und bei den Schülermobilitäten das stärkste Wachstumspotential da ist. Den Eltern kostet eine Schülermobilität momentan relativ viel, und unsere Programme haben ja auch einen bedeutenden sozialen Faktor. Es soll keine sozialen Hürden geben. Das ist ja auch ein Leitgedanke bei Erasmus, die Studienbeihilfenbezieher können die Förderung auch im Ausland weiterbeziehen. Wir haben konstant 25% Studienbeihilfenbezieher in Erasmus was dem Durchschnitt aller österreichsichen Studierenden entspricht.

derStandard.at: Haben Sie Forderungen oder Wünsche an die EU-Präsidentschaft Österreichs?

Eckel: Wir befinden uns in einer sehr heiklen Phase. Da geht es um das finanzielle Budget für die Zukunft einerseits, andererseits um die zukünftige Gestaltung der Mobilitätsprogramme. Was ich mir wünschen würde, wäre dass wir es schaffen, bis zum Ende der Präsidentschaft einen tragfähigen wirklichen Beschluss zu haben, um 2007 zeitgerecht mit einem guten Budget die neuen Programme starten zu können.