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Foto: APA/Parigger
Johannes Voggenhuber hat in seiner langen politischen Karriere einige markante Spitznamen verpasst bekommen: "Paradegrüner" sei er, hieß es in der bewegten Gründungszeit der Ökopartei vor zwanzig Jahren. Er kam aus Salzburg, wo er 1977 die Bürgerliste ins Leben rief und als erster grüner Stadtrat im Land gegen die dortige "Baumafia" kämpfte.

Dann galt er als "Fundi", obwohl er eher ein Bürgerlicher war. Ein Linker war er nie. Zwischen 1990 und 1992 sollte er dann als Klubchef im Nationalrat die politischen Flügel auf Linie bringen. Die Konstante seines Engagements blieb stets das bedingungslose Eintreten für Bürger- und Minderheitenrechte.

Bis vor ein paar Jahren bemühte man gerne das Klischee, der EU-Abgeordnete sei wegen seiner radikalen politischen Ansprüche gar ein grüner "Ajatollah" wie ein islamischer Hochgelehrter im iranischen Gottesstaat. Bei Voggenhuber - einem feurigen Republikaner, der für die scharfe Trennung von Kirche und Staat eintritt - drängt sich eher ein anderer Vergleich auf: Er war der Saulus, der zum Paulus wurde. Im Alten Testament wandelt sich der eifrige Christenverfolger nach Gottes Strafe ("Saul, Saul, warum verfolgst Du mich?"), nach Erblindung und Damaskus-Erlebnis zum Gläubigen und Prediger. Voggenhuber mutierte vom verbissenen EU-Gegner zum Europavisionär.

1994 trat er bei der Volksabstimmung noch gegen den EU-Beitritt Österreichs ein - wie die meisten Grünen übrigens. Sein Argument: Die Union sei ein undemokratisches Gebilde, Österreich müsse sie "von außen" auf den richtigen Weg führen. Heute ist Voggenhuber ein begeisterter Unionist, dem die Vertiefung und Europäisierung gar nicht weit genug gehen kann. Es ist nur logisch, dass er als Leiter im Straßburger Verfassungsausschuss sitzt, der zur Lösung der EU-Krise beitragen soll.

So ist er: eifrig, wortgewaltig, ein Perfektionist auch privat als Gourmet, Hobbykoch, Weinkenner, Kunstliebhaber. Mit ihm essen zu gehen ist ein Vergnügen. Voggenhuber nimmt die Notwendigkeit einer demokratisch verfassten Union inklusive Sozialpolitik bitter ernst. So wie er seine Gegnerschaft zu Militär- und liberaler Wirtschaftspolitik immer laut vor sich hertrug, die Neutralität als Glaubensbekenntnis.

Aber zwischen 1994 und heute liegen die Einsicht, dass das Nein zum Beitritt ein "schwerer Fehler" war, und "Reifejahre" des 55-jährigen Politikers, der einst als Schadensreferent bei einer Versicherung arbeitete. Seine sehr weltliche "Strafe" war, dass er seit 1995 als Abgeordneter in einer zentralen Institution jener EU saß, die er öffentlich geißelte; aber erkennen musste, welch Glück es für den kriegsgeplagten Kontinent ist, dass es diese Union, das "Friedensprojekt" Europa, gibt - bei allen Schwächen. (DER STANDARD, Printausgabe, 20.1.2006)