Frankfurt - Die Krise im 90 Mrd. Euro schweren deutschen Markt für offene Immobilienfonds spitzt sich zu. Der Vermögensverwalter KanAm musste am Donnerstag nach panikartigen Anteilsrückgaben der Anleger seinen zweiten Fonds binnen weniger Tage schließen. Seit Dezember wurden damit drei offene Immobilienfonds dicht gemacht - bis dahin ein Tabu. Die Kritik an der Rating-Agentur Scope, die Anlegern den Verkauf beider KanAm-Fonds empfohlen hatte, wurde lauter.

"Die Panik in dem KanAm Grundinvest Fonds als Spitzenprodukt der Branche ist offenbar ausgelöst worden durch die Veröffentlichung einer überraschenden und sachlich nicht nachvollziehbaren Verkaufsempfehlung einer Ratingagentur", wies KanAm die Schuld an der Fonds-Schließung Scope zu. Binnen 24 Stunden hätten Anleger Fondsanteile im Wert von 700 Mio. Euro verkauft, mehr als ein Fünftel des 3,2 Mrd. Euro schweren, in den USA und Europa investierten Fonds. "Das ist Panik, das ist ein Virus", sagte ein KanAm-Sprecher.

"Keine Branchenkrise herbeireden"

"Noch nie hat ein Ratingurteil deutsche Anleger so hart getroffen. Zwei Fonds, die in den vergangenen Wochen noch laufend Zuflüsse verzeichnet haben, sind über Nacht in die Illiquidität getrieben worden", rügte eine Sprecherin der Finanzaufsicht BaFin Scope ungewöhnlich heftig. Die Behörde rechne gleichwohl nicht mit der Schließung weiterer offener Immobilienfonds. Scope wies die Schelte zurück.

Bankenpräsident Klaus-Peter Müller warnte davor, eine Branchenkrise herbeizureden. Er räumte aber ein, die erneute Fondsschließung könne zu großem Druck im Markt führen.

"Es gibt keinen logischen Grund"

Der Grundinvest erzielte KanAm zufolge eine Jahresrendite von sechs Prozent und entwickelte sich damit weit besser als der Branchendurchschnitt. Bewertungsprobleme wie bei dem im Dezember geschlossenen Fonds Grundbesitz-Invest der Deutschen Bank gebe es nicht, hieß es. "Wir verstehen das nicht, es gibt keinen logischen Grund", sagte der KanAm-Sprecher. Schon am Dienstag hatte KanAm den mit 579 Mio. Dollar Fondsvermögen weit kleineren, nur in Nordamerika investierten US-Grundinvest, wegen Mittelabflüssen schließen müssen. Auch diesen Fonds hatte Scope zum Verkauf empfohlen.

Scope hatte die Ratschläge damit begründet, dass der Partner von KanAm in den USA, The Mills, im Zentrum einer Untersuchung in den USA steht. Berichte darüber könnten zu Mittelabflüssen führen, Anleger sollten deshalb ihre Anteile verkaufen. "Es ist unsere verantwortliche Aufgabe als Rating-Agentur, in Kapitalanlagemärkten mögliche Schwächen zu erkennen, sie zu bewerten und in der Folge auch zeitnah zu kommunizieren", sagte Scope-Geschäftsführerin Alexandra Merz Reuters am Donnerstag. "Die derzeitigen Schuldzuweisungen lenken nur von den wahren Ursachen ab." Anlass für weitere Fondsschließungen sehe aber auch die Rating-Agentur derzeit nicht.

Reform-Vorschläge

Immobilienfonds werden von Investoren seit der Schließung des Grundbesitz-Invest der Deutschen Bank kritisch beäugt. Mitte Dezember hatte das Geldhaus den Rückkauf von Anteilen des Fonds ausgesetzt - ein in mehr als 40 Jahren einmaliger Vorgang. Zuvor waren Anleger wegen möglicherweise drohender Wertberichtigungen reihenweise ausgestiegen. Die Branche hatte die Anlageklasse stets als sicher gepriesen und argumentiert, Investoren könnten jederzeit zu feststehenden Kursen Anteile verkaufen.

Der Branchenverband BVI will am nächsten Dienstag Vorschläge zur Reform offener Immobilienfonds machen. Die deutsche Bundesregierung erwägt sogar Gesetzesänderungen. Der stellvertretende SPD-Fraktionschef Joachim Poß kündigte an, Vertreter von Union und SPD wollten sich mit dem Finanzministerium in Verbindung setzen. Man wolle zeitnah erörtern, ob ungeachtet der ohnehin geplanten Änderung des Investmentgesetzes Handlungsbedarf wegen der aktuellen Fondsschließungen gegeben sei. Anlass zur Panik bestehe aber nicht. Banken-Präsident Müller warnt hingegen vor Schnellschüssen des Gesetzgebers.

Verbraucherschützer warnt vor Panikverkäufen

Verbraucherschützern raten nun Kleinanlegern, einen kühlen Kopf zu bewahren. "Wir warnen vor Panikverkäufen und Schnellschüssen", sagte der Anlageberater Peter Lischke von der Berliner Verbraucherzentrale am Freitag. Sonst bestehe die Gefahr, dass auch gut laufende Fonds in Mitleidenschaft gezogen würden.

Von der Bundesregierung erhofft sich Lischke eine Initiative, mit der Immobilienfonds transparenter werden. "Für Anleger muss klarer werden, wie die Wertentwickung läuft", unterstrich er. Nur so könnten sich Investoren gegen überraschende Fondschließungen wappnen.

Auch Bundesbank warnt

Die deutsche Regierung erwägt derzeit schärfere Vorgaben für die Branche. Auch die Bundesbank warnte am Freitag vor Panikverkäufen: Derzeit gäben noch nicht übermäßig viele Anleger ihre Anteile an offenen Immobilienfonds zurück, sagte Vorstandsmitglied Edgar Meister der "Börsenzeitung". Deshalb sei die Entwicklung nicht Besorgnis erregend. "Bei einer falschen Einschätzung der Lage durch die Anleger kann sich das aber sehr schnell ändern", unterstrich Meister. (APA/Reuters)