Foto: hotel guglwald
Wien – Es ist wie ein Streit um einen Kirschbaum. Ein Ast ragt auf das Nachbargrundstück, und der Nachbar sägt ihn ab oder erntet wenigstens die Kirschen. In Guglwald ragt kein Ast, sondern ein Hoteldach nach nebenan, und der Nachbar ist kein geringerer als die Republik Tschechien.

Keine Einwände

Stein des Anstoßes ist ein 400 Quadratmeter großer Wellnessanbau, den Hotelbesitzer Dietmar Hehenberger 1994 errichten ließ. Die Gemeinde erlaubte den Bau, das Wiener Vermessungsamt hatte keine Einwände. Das einstige Tagungshotel wurde zum „Wellness-Hotel Guglwald“ mit Golfplatz, Ayurveda-Massagen und Kaiserin-Sissi- Suite. Dann aber digitalisierten die Vermessungsbeamten ihre Karten, und plötzlich hatte die Grenze einen Knick. Auf dem Knick steht nun die Außenmauer des Anbaus.

Auf dem Grenzstreifen

„Grenzverletzung“, rief die länderübergreifende Kommission, in der Österreicher und Tschechen gemeinsam strittige Grenzfragen klären. Die Bezirkshauptmannschaft Rohrbach hat Hehenberger aufgefordert, das Dach abzubauen. „Dann müsste man das ganze Gebäude wegreißen“, sagt der Hotelier. Er hat beim Landeshauptmann Einspruch gegen den Abrissbescheid eingelegt. Immerhin: Die Mauer steht „nur“ auf dem Grenzstreifen, der laut Staatsvertrag überall einen Meter breit sein muss. Eigentlich dürfen dort weder Häuser noch Bäume stehen, damit die Grenzbeamten ungehindert patrouillieren können.

Die Mauer auf dem Grenzstreifen könnte die Kommission verschmerzen, doch das Dach ragt auf tschechisches Territorium – und zwar knapp 20 Zentimeter. Hehenberger hat den Tschechen bereits ein paar Quadratmeter seines Grundstücks zum Tausch angeboten. Die Grenzkommission lehnte ab. Hehenberger versteht das nicht: „Einen Kilometer weiter ging das auch in Ordnung“, sagt er. Bei einem Abriss rechnet er mit etwa 20.000 Euro Kosten; auch die Sonnenkollektoren auf dem Dach müssten zum Teil verschwinden. Dann aber will sich der Hotelier an Gemeinde und Vermessungsamt „schadlos halten“.

"Bis zum letzten Tropfen"

Selbst die zwölf Meter lange Außenmauer auf dem Grenzstreifen ist noch nicht in Sicherheit. Bis der Abriss endgültig vom Tisch ist, will Hehenberger notfalls bis zur höchsten Instanz gehen: „Ich kämpfe bis zum letzten Tropfen.“ Das Dach des Hotels „Guglwald“ ragt 20 Zentimeter auf tschechisches Gebiet, wie eine Neuvermessung der Grenze ergab. (Daniel Kastner, DER STANDARD Printausgabe, 21./22.01.2006)