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Die Schiiten-Allianz, die von dem pro-iranischen "Obersten Rat für die Islamische Revolution" (SCIRI) von Abdulaziz al-Hakim (rechts) und der Dawa-Partei von Premier Ibrahim al-Jaafari (links) dominiert wird, gewann wie erwartet die Parlamentswahl.

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Das Ergebnis der Parlamentswahlen im Irak ist offiziell: Die Schiiten sind wie erwartet stärkste Kraft, brauchen die Kurden als Koalitionspartner und wollen die Sunniten zur Stabilisierung.

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Bagdad - Mehr als fünf Wochen hat es gedauert, bis das Ergebnis der irakischen Parlamentswahl endlich vorlag. Doch die Koalitionsverhandlungen für eine Regierung der Nationalen Einheit laufen ohnehin schon seit Wochen. Denn die Schiiten-Allianz und das Kurdenbündnis, die nach der Wahl vom Jänner 2005 die Übergangsregierung gebildet hatten, könnten zwar theoretisch auch diesmal mit einer bequemen Mehrheit von zusammen 181 der insgesamt 275 Sitze allein regieren. Aus Angst vor einer Eskalation des bewaffneten sunnitischen Widerstandes haben sie sich jedoch dazu entschlossen, die Sunniten mit einzubinden.

Nach dem am Freitag verkündeten Ergebnis der Parlamentswahl vom 15. Dezember belegen die Parteienbündnisse der Sunniten nun zusammen 55 Sitze. Die schiitische Vereinigte irakische Allianz kommt dagegen allein auf 128, die Allianz der Kurden auf 53 Mandate. Beide haben im Vergleich zu den Jänner-Wahlen, als die Sunniten den Urnengang weit gehend boykottierten, Stimmen eingebüßt.

Erste Annäherung

Eine erste Annäherung der Standpunkte hatte bereits stattgefunden, als sich Sunniten, Kurden und Schiiten kurz vor der Wahl im Dezember an einem neutralen Ort, bei der Arabischen Liga in Kairo, trafen. Sie einigten sich damals darauf, dass die Regierung Aufständische, die nicht gegen Zivilisten, sondern ausschließlich gegen die ausländischen Truppen kämpfen, nicht mehr als "Terroristen" abstempeln und verfolgen soll. Außerdem wurde die Forderung der Sunniten nach einem Zeitplan für den Abzug der US-Truppen von der Übergangsregierung zumindest akzeptiert, wenn auch noch kein konkretes Datum genannt wurde.

Doch die Koalitionsverhandlungen, die in den vergangenen Wochen zum Teil nicht in Bagdad, sondern im sichereren kurdischen Norden des Irak stattfanden, können nach Einschätzung arabischer Beobachter noch einige Wochen dauern.

Streit um Verfassung

Die Parteien müssen sich auf ein Regierungsprogramm einigen und die Frage der Verteilung der Ministerposten klären - wenn sie sich denn überhaupt einigen. Denn es ist auch nicht auszuschließen, dass sich die Sunniten wieder zurückziehen, falls ihre wichtigsten Forderungen von den Schiiten und Kurden nicht erfüllt werden. Dazu gehört unter anderem, dass die föderale Struktur des Staates, die in der im Oktober per Referendum angenommenen Verfassung festgeschrieben wurde, noch einmal abgeschwächt wird.

Die Wahlen können nun noch beeinsprucht werden; ein Prozent der Stimmzettel wurde von der Wahlkommission annulliert. In Erwartung gewaltsamer Proteste und von Terroranschlägen verschärften die irakischen Behörden die Sicherheitsvorkehrungen im ganzen Land deutlich. Die Grenzen der mehrheitlich von Sunniten bewohnten Provinzen Dijala, Salaheddin und El Anbar wurden von Freitag an für 48 Stunden gesperrt. In die Rebellenhochburg Falluja 50 Kilometer westlich von Bagdad ließ die Polizei bereits seit Donnerstag keine Besucher mehr. (dpa, AFP, red, DER STANDARD, Printausgabe 21./22.1.2006)