Damülser Mittagspitze im Winter

Bregenzerwald Tourismus
Wenn Skischüler ausschauen wie bunte Pistenvögel, dann sind sie sicher bei Michael Widmer-Willam im Kurs. Schweben mit weit ausgebreiteten Armen die Pisten hinunter oder lassen sich elegant im kühlen Weiß nieder. Stimmt, das ist Schönschreiberei. Sie purzeln auch ganz gewöhnlich - wie Skianfänger eben. Aber: Sie wissen warum. Wegen der verflixten Schwerkraft nämlich und weil es halt noch fehlt, an der optimalen Balance zwischen Wollen und Können, Kopf, Körper und Ski. Das Spiel mit der Schwerkraft, "das Tänzerische" ist es, das der ungewöhnliche Skilehrer seiner Gruppe beibringen möchte.

Michael Widmer-Willam beherrscht das Spiel perfekt - als Tänzer, Choreograf und auf der Piste. Der zeitgenössische Tanz ist die Inspirationsquelle für sein "Ski!"-Projekt. Und so beginnt ein Kurstag wie beim Tanztraining - im Studio. Mit spielerischem Aufwärmen wird der Körper geschmeidig gemacht, Grundlagen sind zeitgenössische Tanztechniken, ganzheitliche Bewegungslehren und der gute Humor der angehenden Skitänzer(innen). Was im Trockentraining gelernt wurde, wird auf den Hängen des Diedamskopf umgesetzt. Dem kleinen, aber feinen Skigebiet über Au und Schoppernau, das wohl die schönsten Ausblicke über die weite Hügel-und Gebirgslandschaft des Bregenzerwaldes bietet.

Am Ende des Tages geht's zum Chillen nicht in die nächste Schirmbar, sondern wieder ins Studio. Entspannen, runterkommen ist angesagt. Zwiesprache mit dem Körper, sanfte Massage - niemand denkt da mehr an Jagatee. Das "Ski!"-Projekt nimmt seinen ganzheitlichen Ansatz ernst. Auch beim Rundherum.

Bonuspunkte

Anreise mit öffentlichen Verkehrsmitteln wird mit Bonuspunkten belohnt, für die man dann eine Privatstunde bekommt. Erleichtert wird das Öffi-Fahren durch eine Kooperation mit dem örtlichen Skiverleih, der einem die Last der Bretteln im wahrsten Sinne des Wortes abnimmt: Man wird vom Verleiher vom jeweiligen Quartier abgeholt, kann sich das passende Material aussuchen, lässt es dann im Depot und gibt es am Kursende bei der Talstation ab. Eine Woche Skikurs ohne Skischleppen, welch Genuss.

Kein Schritt zu viel

Bequem soll's der Gast auch ganz oben haben, im Hochgebirge, in Warth. Wer mit dem Postbus (vom Bahnhof Dornbirn) kommt und damit auch gleich eine Sightseeing-Tour durch den Bregenzerwald macht, landet direkt vor dem neuen Hotel Steffisalp. Das wiederum wurde um die Steffisalpbahn gebaut, was Zimmer mit Pisten- und Gipfelblick bedeutet und: kein Schritt zu viel. Mit dem Hotellift geht's zum Skiverleih und von dort keine Skilänge zur Bahn. Nach getaner Skiarbeit wartet der Mega-Vitalpool.

Wer auch noch das Spazierengehen scheut, kann sich ziehen lassen. Begegnet man auf der Warther Loipe fröhlich bellenden Huskys mit strahlenden Touristen im Schlepptau, sind sie auf einem Schlitten von Jürgen Strolz unterwegs. Der Canyoningtrainer will im Winter genauso wenig rumsitzen wie seine Hunde und bietet Schlittenkurse an. Eine kurze Einführung und schon geht die Schlittenpost ab. Wer älter als zehn ist, darf den Schlitten selber fahren. Die Hunde haben mit wechselnden Herrchen und Frauchen kein Problem - Hauptsache sie dürfen rennen.

Ganz auf den Spaziergang sollte man im Bergdorf aber nicht verzichten. Es würde einem der erstaunliche Anblick eines Walserdorfes entgehen, das eindrücklich zeigt, wie die Walser (Einwanderer aus dem Schweizer Wallis im 13. und 14. Jahrhundert) am liebsten gebaut haben: an unzugänglichen Steilhängen. Und man würde die Schule von Warth, Roland Gnaigers preisgekrönten Bau, weiter nur aus Architekturbüchern kennen. Man würde auch nicht erfahren, dass der Pfarrhof einst ein Gasthof war, weil's der Pfarrer in den 1920er-Jahren nicht ertragen konnte, dass es keine Gaststätte mehr gab und kurzerhand zum Wirt wurde - mit Sanktus seines Bischofs. Und man könnte auch nicht Pfarrer Müller gedenken, der anno 1895 der erste Skifahrer am Tannberg war.

Besuch beim Nachbarn

Menschen, die gut und gern zu Fuß sind (auch auf Touren-und Langlaufskiern) haben gegenüber Auto- und Skifahrern in Warth einen weiteren Vorteil: Sie können hinüber ins Nachbardorf Lech wandern. Denn die einzige Verbindungsstraße in den noblen Skiort ist im Winter wegen Lawinengefahr gesperrt und eine Skischaukel zwischen Lech/ Zürs und Warth/Schröcken gibt es noch nicht.

Wer im Bregenzerwald Winterurlaub macht, wird eines nicht vorfinden: Dörfer, die zur Kulisse für den Wintersport degradiert wurden. Längst haben Bregenzerwälder Betriebe den Sprung vom gediegenen Handwerk zum Design gemacht, gehen Kooperationen mit Architekten und Designern ein, wie etwa im Werkraum Depot, dem Schauraum für Möbel und Objekte in Schwarzenberg. Wie in keiner anderen alpinen Region sind Dorfbilder geprägt vom Miteinander alter Bauweise und neuer Architektur. Es sind nicht nur die Einfamilienhäuser, die vom Hang zur neuen Baukunst zeugen. Im Bregenzerwald haben auch die Tourismusunternehmen ihre Häuser von der Dirndl-und Lederhosenarchitektur befreit. Das vor Augen, macht das Stapfen durch den Schnee zum doppelten Vergnügen. (Der Standard, Printausgabe 21./22.1.2006)