Hamburg/Wien - Die Dresdner Bank war offenbar wesentlich stärker in das Nazi-Herrschaftssystem verstrickt als bisher bekannt. Dies ist das Ergebnis einer umfangreichen historischen Untersuchung, die kommenden Monat publiziert werden soll. Wie die Wissenschafter um den Zeithistoriker Klaus-Dietmar Henke laut der 2400 Seiten starken Studie herausgefunden haben, war das deutsche Geldinstitut Großaktionär einer Firma, die das Vernichtungslager Auschwitz mitgebaut hat, berichtet das Hamburger Nachrichtenmagazin "Der Spiegel" laut Vorausmeldung in seiner am Montag erscheinenden Ausgabe.

Walter: "Müssen uns der Verantwortung stellen

Die "Huta", eines der führenden Hoch- und Tiefbauunternehmen der NS-Zeit, errichtete mindestens zwei der Krematorien für die industrielle Menschenvernichtung, außerdem Wirtschafts-, Wohn- und Entlausungsbaracken. Seit 1910 stellte die Dresdner Bank immer wieder den Vorsitzenden des Huta-Aufsichtsrates. Bankchef Herbert Walter sagt zu den neuen Erkenntnissen laut "Spiegel", dass die NS-Geschichte des Unternehmens nun "in einem überaus kritischen Licht" erscheine. "Dieser Verantwortung müssen wir uns stellen."

"Offene Mittäterschaft"

Die Studie über die "Dresdner Bank im Dritten Reich" messe dem Bankhaus eine "offene Mittäterschaft" an der nationalsozialistischen Diktatur zu. Überdies habe die Dresdner Bank der SS mehr Geld geliehen als bekannt und sei praktisch die Hausbank der paramilitärischen Polizeitruppe der NSDAP und Hauptträgerin des rassenideologischen Naziterrors gewesen. Der Wirtschaftshistoriker Johannes Bähr geht laut dem Bericht davon aus, dass die Führung der Bank über die Vernichtungslager und den Massenmord an den Juden Bescheid wusste. Der SS-Vertrauensmann Karl Rasche spielte eine Schlüsselrolle in der Bank und bei deren Akquirierungen in besetzten Ländern.

SS-"Hausbank"

Die Dresdner Bank habe der SS Kredite über rund 47 Millionen Reichsmark gewährt und sei ihr wichtigster Kreditgeber gewesen, berichtete das Nachrichtenmagazin aus der Untersuchung. Ihre Guthaben - unter anderem aus dem im eroberten Polen geraubten jüdischen Vermögen - seien höher verzinst als üblich. Dabei sei der Bank klar gewesen, dass die Darlehen "suspekten und verwerflichen Zwecken dienten", so Bähr. Eines von zwei Mitte der dreißiger Jahre an die Spitze der Bank gerückten Mitgliedern der NSDAP habe die Führung der SS aufgefordert, Guthabenkonten von anderen Banken an die Dresdner Bank zu übertragen.

Christopher Kopper, Sohn des ehemaligen Vorstandsvorsitzenden und heutigen Aufsichtsratschefs der Deutschen Bank, Hilmar Kopper, hatte sich ebenfalls mit der Rolle der Dresdner Bank im "Dritten Reich" befasst ("Bankiers unterm Hakenkreuz"). Die Millionenkredite an die SS, die vom gesamten Vorstand mitgetragen wurden, zeigten, wie sehr sich die Bank "über das erforderliche Maß hinaus dem Regime angedient hat", schrieb Kopper. (APA/Reuters)