Beim Servieren darf sich der Koch und Pächter Günther Szigeti auf den ehrwürdigen Kellner "Herr Theo" verlassen.

Foto: Gerhard Wasserbauer
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Wie gerne beweinen manche jene Zeit, die sich mitsamt ihren Versatzstücken hinter dem Schleier der Erinnerung als "die gute, alte" verklären lässt. In Wien gehört diesbezüglich das Verschwinden der Vorstadtwirtshäuser zu den beliebteren Raunz-Themata, weil diese angeblich die Bastionen der Austro-Küche schlechthin darstellten und nunmehr fast gänzlich verschwunden seien. Da fragt man sich als Nachgeborener: Warum wohl wurden sie gar so oft durch China-Restaurants der billigsten Sorte, durch von Außereuropäern betriebene Pizzerien oder gar inländische Spielhöllen ersetzt?

Kellner mit Tradition

Wie auch immer: Eines, das überlebt hat, ist die traditionsreiche "Schwarze Katze" in Wien-Hernals, und das ist gut so. Seit vergangenem Sommer nämlich hat der Koch Günther Szigeti sich des weitgehend original erhaltenen Eckwirtshauses mit prachtvoller Schank, Kachelofen und Stammtisch-Eck samt Sportklub-Spielplan angenommen. Der Mann kochte zuvor an Adressen mit durchwegs beträchtlichem Ruf wie "Stomach", "Weibel" und "Hansen". Mit dem langjährigen Lebensgefährten seiner Mama hat er überdies einen großartigen Kellner der ganz klassischen Art gewinnen können: Der "Herr Theo" hat vor 45 Jahren im Sacher gelernt, kellnerierte in der Glanzzeit des noblen "Weißen Rauchfangkehrers" ebendort und denkt nicht daran, seinen Smoking an den Nagel zu hängen, nur weil er jetzt halt die Vorstadt mit seinem Können verwöhnt: "Nur die Fliege binde ich mir seit einiger Zeit nur noch abends um". Bei Mittagsmenü-Preisen von € 4,50 (die sich in dieser Gegend zwangsläufig an jenen der unmittelbaren Konkurrenz orientieren müssen) wird ihm das kaum jemand übel nehmen können.

Topinambursuppe, Veltlinerbeuschel, Schupfnudeln

Um dieses Geld darf man sich küchenseits freilich keine allzu großen Sprünge erwarten, am Abend zeigt der Koch und Pächter dafür umso mehr, was er alles drauf hat. Die wunderbar dichte Topinambursuppe ist eine wahre Freude, dass es dazu ein Extra-Tellerchen mit exzellentem (aber fast zu magerem) Verhackertem von der Ente gibt, eine schöne Draufgabe. Dem Veltlinerbeuschel vom Kalb hätten etwas mehr Kapern und ein paar Sardellen gut getan, so kommt es doch allzu obersmollig brav daher. Dafür schmecken die Rindsbackerln im sauber reduzierten Zweigelt-Saftl so wild und herzhaft wie nur, die in brauner Butter geschwenkten Schupfnudeln dazu sind überhaupt sensationell: Luftig, beinah cremig schmiegen die sich an den Gaumen. Die Mal-Übungen mit Balsamico-Reduktion am Tellerrand gemahnen freilich, wie auch die geometrischen Glasteller bei den Vorspeisen, an längst überwunden geglaubte Pubertätsprobleme der neueren österreichischen Küche.
(Severin Corti/Der Standard/rondo/20/01/2006)