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Der Standort Hohenau soll künftig nur mehr als Lagerstandort weitergeführt werden.

Foto: APA/Schneider
Wien - Der börsenotierte Zucker-, Frucht- und Stärkekonzern Agrana schließt zwei seiner elf Zuckerfabriken. Zugesperrt werden das Werk im niederösterreichischen Hohenau mit 136 Mitarbeitern und die Fabrik in Rimavska Sobota im Osten der Slowakei mit 123 Beschäftigten. Soziale Abfederungsmaßnahmen seien in beiden Werken in Ausarbeitung, teilte die Agrana Montagmittag ad hoc mit. In Hohenau läuft derzeit eine Betriebsversammlung, bei der die Mitarbeiter informiert werden.

Entsprechende Beschlüsse seien im Aufsichtsrat der Agrana Beteiligungs-AG gefallen. In der Kampagne 2006/07 würden in Hohenau und Rimavska Sobota keine Rüben mehr verarbeitet. In den verbleibenden Werken in den jeweiligen Ländern werde man die Auslastung verbessern.

Kostendruck und Zuckerpreise

Der Kostendruck auf die Industrie werde verbunden mit einer Senkung der Zuckerpreise und mit erheblichen Zahlungen an den Restrukturierungsfonds als Folge der EU-Zuckermarktreform deutlich anstiegen. Weit reichende Rationalisierungs- und Konzentrationsmaßnahmen seien daher unumgänglich, begründete die Agrana diesen Schritt.

Die Maßnahmen erforderten im Geschäftsjahr 2005/06 einen einmaligen Restrukturierungsaufwand von rund 25 Mio. Euro und legten die Grundlage für eine nachhaltige und wirtschaftliche Zuckerproduktion für die Agrana-Gruppe. Damit habe sich Agrana auch unter neuen Rahmenbedingungen eine wettbewerbsfähige Position gesichert.

Wettbewerbsfähigkeit erreicht

Wir haben nun die Struktur erreicht, dass wir auch in der neuen EU-Zuckermarkt-Landschaft gut existieren werden können", zeigte sich der Vorstandsvorsitzende der börsenotierten Agrana, Johann Marihart, nach Bekanntgabe der beiden Werkschließungen im Gespräch mit der APA zuversichtlich. Die beiden anderen Standorte in Österreich, Tulln und Leopoldsdorf, seien jedenfalls "nachhaltig abgesichert".

Mit einer Zuckerproduktion von knapp 200.000 Tonnen pro Fabrik in Österreich sei die Agrana nun "auch zu österreichischen Kosten wettbewerbsfähig", sagte Marihart.

Hohenau bleibt Lagerstandort

Der Standort Hohenau könne nur mehr als Lagerstandort weitergeführt werden. Die Dienstverhältnisse der 136 Beschäftigten würden größtenteils erst im Sommer 2006 enden. Den 20 Lehrlingen werde die Beendigung ihrer Ausbildung bei der Agrana ermöglicht. Die Zucker-Lagersilos des Werkes Hohenau würden mit zehn Mitarbeitern weiterbetrieben. Darüber hinaus werden zehn bis 15 Mitarbeiter in andere Bereiche des Konzerns übernommen werden. Für 30 Mitarbeiter über 55 Jahren werden Altersteilzeitmodelle und ein Sozialplan die Zeit bis zum Pensionsanspruch überbrücken. Für rund 20 Mitarbeiter unter 55 Jahren werde gemeinsam mit dem Betriebsrat im Rahmen des Sozialplans und im Wege einer Arbeitsstiftung eine Lösung gesucht.

Über die weitere Nutzung des Standortes Hohenau habe Agrana mit der niederösterreichischen Betriebsansiedelungsgesellschaft EcoPlus intensive Gespräche über mögliche betriebliche Nachnutzungen des Werksgeländes und über Beschäftigungsmöglichkeiten aufgenommen.

Die Rübenmenge der slowakischen Zuckerfabrik Rimavska Sobota, die eine Verarbeitungskapazität von lediglich 2.500 Tonnen pro Tag aufweist, soll zukünftig im Werk Sered verarbeitet werden. Die Produktion der gesamten auf Agrana entfallenden slowakischen Zuckerquote (56.670 Tonnen) werde bei geringfügigen Erweiterungsinvestitionen in Sered in maximal 110 Tagen möglich sein. Gespräche mit den Arbeitnehmervertretern über einen Sozialplan für die von der Werksschließung betroffenen 123 Mitarbeiter werden in den nächsten Tagen aufgenommen.

Tulln und Leobersdorf abgesichert

Die Agrana habe sich zum Ziel gesetzt, das Zuckerproduktionsniveau im Umfang der vollen EU-Quote aufrecht zu erhalten, WTO-bedingt fallen jedoch künftig darüber hinausgehende Produktionsmöglichkeiten für den Export aus.

Die Kapazität der Rübenverarbeitung in den drei österreichischen Werken liegt bei rund 40.000 Tonnen pro Tag, womit nach Wegfall der Exportmöglichkeiten die künftige maximale österreichische Rübenproduktion von rund 2,6 Mio. Tonnen nur eine Auslastung von 65 Kampagnetagen bedeuten würde.

Zuckerquote in zwei Fabriken

Damit wäre Agrana nicht wettbewerbsfähig. Durch eine Ausdehnung der Kampagnedauer auf knapp 100 Verarbeitungstage soll künftig die gesamte österreichische Zuckerquote in zwei Fabriken erzeugt werden. Durch diese Standortkonzentration können die Zuckerfabriken Tulln und Leopoldsdorf mit insgesamt rund 450 Mitarbeitern auch unter den neuen Zuckermarktordnungsbedingungen abgesichert werden.

Für 45 der insgesamt 136 Mitarbeiter der Zuckerfabrik Hohenau stünden im derzeit in Planung befindlichen Bioethanol-Werk im niederösterreichischen Pischelsdorf zur Verfügung. Insgesamt würden dort mehr als 50 zusätzliche Arbeitsplätze geschaffen, 45 davon würden Beschäftigten der Zuckerfabrik angeboten. Im neuen Werk, das im Herbst 2007 in Betrieb gehen wird, werden mehr als 500.000 Tonnen an landwirtschaftlichen Rohstoffen verarbeitet.

Gabmann: Bestmögliche Lösungen finden

In einer derartigen Situation sei es wichtig, "ruhig, besonnen und mit klarer Zielorientierung" vorzugehen, reagierte Niederösterreichs Wirtschaftsreferent LHStv. Ernest Gabmann. Für die betroffenen Mitarbeiter müssten die bestmöglichen Lösungen gefunden werden. Diesbezüglich werde er sowohl mit der Agrana selbst als auch mit ecoplus Gespräche führen. Die NÖ Wirtschaftsagentur könnte eventuell beschäftigungsrelevante Projekte vorziehen.

Soziallandesrätin Petra Bohuslav kündigte an, dass es "zwei Schienen" als Auffangnetze geben werde. Es handle sich dabei einerseits um das Programm "Job konkret" des Landes, andererseits um eine Arbeitsstiftung. Zunächst gehe es aber auch um die Klärung, welche Mitarbeiter in den abgesicherten Zuckerfabriken in Tulln und Leopoldsdorf sowie in Zukunft im Bioethanolwerk in Pischelsdorf Platz finden würden.

Gewerkschaft fordert Sozialplan

"Die Belegschaft zahlt jetzt die Zeche dafür, dass die österreichische Zuckerindustrie in der EU über keinerlei Lobby verfügt und bei der Neuordnung des europäischen Zuckermarktes schlichtweg übergangen wurde", kritisierte Rainer Wimmer, Vorsitzender der Gewerkschaft Agrar-Nahrung-Genuss, Agrana wegen seiner Entscheidung.

Für die strukturschwache Region im Nordosten Niederösterreichs sei das eine Katastrophe, weil sich die ohnehin sehr angespannte Arbeitsmarktsituation durch den Verlust von 140 Arbeitsplätzen dramatisch verschärfen werde, heißt es am Montag in einer Pressekonferenz. "Die neoliberale Zusperr-Welle rollt ungebremst weiter. Das ist auch dem laxen Auftreten der österreichischen Vertretung in Brüssel zuzuschreiben", so Wimmer.

Die Gewerkschaftsvertreter fordern die Eigentümer der Agrana nun auf, für die betroffenen Mitarbeiter der Zuckerfabrik Hohenau adäquate Ersatzarbeitsplätze in ihren Filialbetrieben zur Verfügung zu stellen und die dafür notwendigen Rahmenbedingungen durch die Ausarbeitung eines Sozialplanes und die Weiterführung der Arbeitsstiftung AUFLEB zu schaffen. Landwirtschaftsminister Josef Pröll fordert Wimmer auf, die 9 Mio. Euro an EU-Sonderfördermittel für Restrukturierungsmaßnahmen im Bereich der Zuckerwirtschaft nicht alleine den Rübenbauern zur Verfügung zu stellen, sondern damit auch ganz gezielt Maßnahmen für die Arbeitnehmer zu finanzieren. (APA)