Morsen. Eigentlich ist es Morsen. Mühseliges Knöpfchendrücken. Wurde das Telefon nicht erfunden, damit das gesprochene Wort mobil wird? Melanie schüttelt den Kopf. Sowas kann nur ein Erwachsener sagen. Melanie drückt gerne. Bis zu 20-mal am Tag. Zwei-, dreimal täglich wählt die 16-jährige Gymnasiastin tatsächlich eine Nummer - die der Eltern oder ähnlicher Technosaurier. Weil die mit "Short Message Service" (SMS) wenig anfangen können. "Telefonieren mit Pre-Paid-Cards ist teuer. SMS ist billiger." Aber: "In Summe kostet das auch."WAP hin oder her Die Wiener Schülerin liegt im Trend: Datenübertragung via Handy boomt. Und - WAP hin oder her - "Short Message Service" ist derzeit der am häufigsten genutzte Dienst. Je nach Netz und Vertrag kostet eine Nachricht zwischen einem und drei Schilling. Jugend drückt Am Drücker ist die Jugend: Zwar geben 78 Prozent aller Mobiltelefonbesitzer an, schon ein SMS geschickt zu haben, aber bei den 14- bis 19- Jährigen sind es 97 Prozent, erhob der Mobiltelefonbetreiber One . Zum Vergleich: Nicht einmal jeder Zweite zwischen 50 und 60 ist SMS-erfahren. "Jugendliche", meint One- Sprecherin Bettina Gneisz, "nutzen den Schnittbereich aus Spiel und Technik intensiver". Wie sehr die schreiben, will Gneisz nicht sagen. Die Konkurrenz ist da offener: Bei A1 gehen täglich 1,2 Millionen Handy- text-Nachrichten "on air", bei max.mobil eine Million. Free- SMS-Plattformen im Internet nicht mitgerechnet. Rasante Zuwächse "Die zum Millenniumswechsel erreichte SMS-Anzahl war Mitte März tägliche Realität", fasst Max.mobil - Sprecherin Gabriela Mair zusammen. Bis Ende 2000 rechnet sie mit einer Verfünffachung des Aufkommens. One erwartet bloß eine Verdopplung. Gneisz: "Das ist eine konservative Schätzung. Unsere Marktforschung zeigt, dass 31 Prozent jener Personen, die sich heuer ein Handy zulegen, zu der Gruppe der 14- bis 24-Jährigen gehört. Jenem Segment, das SMS besonders nutzt." Für A1-Marketingleiter Peter Brejzek ist SMS schlicht "Teil der modernen Kommunikationskultur". Einer, von der die Mobilfunker überrascht wurden. Dass "Textfunk" sich so rasant entwickeln würde, hatte niemand vorausgesehen. So sprechen Handyprovider in Großbritannien von einem "Dammbruch", seit Textnachrichten zwischen den einzelnen Netzen möglich sind. Zwischen Frühjahr 1998 und Herbst 1999 habe sich das Volumen verdreißigfacht. Die Erfahrung lehrt, dass der "Traffic" ab einer nationalen Handydichte von 25 Prozent rasant zunimmt. Österreich liegt bei 56 Prozent. Die Akzeptanz der maximal 160 Zeichen langen Mobiltextbotschaften auf Kosten zu reduzieren, hält der Jugendforscher Manfred Zenter für verfehlt. "Mobilität, Geschwindigkeit und gleichzeitig die Möglichkeit, erst zu lesen oder antworten, wann es mir passt", wären die wichtigsten Gründe, dass Jugendli 4. Spalte che die Schreibmaschine am Ohr lieben. Auch, dass Erwachsene oft danebenstehen. Der Zwang zur Kürze kreiere Abkürzungen und hinterlasse Spuren in der Sprache: "Codes schaffen Identität." Text und Schuldenfalle Ganz unproblematisch ist der Trend zum Text aber nicht: So kritisiert der Verein für Konsumenteninformation (VKI), dass es bei Pre-Paid- Karten - etwa die Hälfte der Jugendlichen benutzt solche - bei max.mobil auch nach Ausschöpfen des Guthabens möglich sei, SMS zu schicken. Die Gebühren werden beim nächsten Laden abgebucht. Dies, so der VKI, laufe dem Kartenvorteil "Kostentransparenz" entgegen. Max.mobil erklärt diese Überziehungen mit der SMS-"Blockabrechnung", die nur alle paar Stunden durchgeführt werde, außerdem werde erst beim Lesen durch den Empfänger abgebucht. Wenn ein Konto fast leer sei, wären so Überzüge kurzfristig möglich. Andere Provider betonen, dass "null gleich null" sei. Bettina Gneisz: "Wenn einer durchschlüpft, ist das unser Risiko." Klickende Romantik Auch wenn die Kids "wahnsinnig schnell tippen" (Zenter) geht die Industrie doch davon aus, dass es nervt, für ein "Z" viermal die neun zu drücken. Das zigarettenschachtelgroße "Chatboard" beweise das, meint Harald Grabher, Marketingleiter von Ericsson Österreich. Die Nano-Tastatur für die gängigsten Schweden-Hörer ging seit Jahresbeginn über 100.000-mal über den Ladentisch und "ist bei vielen Jugendlichen Standardausrüstung". Dass eher die Jungen "SMSsen", führt Grabher auch auf jugendliche Sehnsucht nach Romantik zurück: "Briefe sind eben was anderes." Romantik wird auch in zwei, drei Jahren aufkommen, wenn man dann von SMS spricht. Denn der Klicktext ist nur eine Zwischenphase am Weg zur mobilen Kommunikationsgesellschaft: Machte Datenfunk vor fünf Jahren gerade drei Prozent des Handy- Funkverkehrs aus, sind es heute 15 Prozent. Bis 2007 sollen 85 Prozent der Informationen ungesprochen sein. Grabher: "In zwei Jahren, sobald der Flaschenhals "Bandbreite" beseitigt ist, wird das SMS abgelöst." Es wird dann wie eine andere antiquierte Kommunikationsform wirken. Wie Morsen nämlich. Die erste Netzadresse für gratis Handytexte ist in Graz Die Youngstertruppe residiert - klassisch wie es sich für Internet-Newcomers gehört - im Hinterhof. Im oberen Altstadtteil der Grazer Sporgasse. Jürgen Pansy, Telematikstudent ist mit seinen 25 Lenzen der Älteste. Und der Chef. "Fertigstudieren kann ich später auch noch, jetzt macht der Job einfach viel zu viel Spaß." Jürgen Pansy ist - gemeinsam mit Andrea Greiner - Geschäftsführer des momentan coolsten Internetportals: www.websms.at . Ein Zufall hatte die Truppe in der Sporgasse zusammen geführt. Vor Jahren gründete der Grazer Markus Schwab mit einem Kompagnon die "Schwab Markus Services" - und sicherte sich den Eintrag im Internet. Er entschied sich fürs Kürzel "SMS". Jahre später bastelte Schwab die erste kompakte Internetseite, die die Versendung von Kurznachrichten an Handys wesentlich erleichterte. Zudem hatte Schwab ein Asset in der Hand: Seine Internetadresse: www.SMS.at., die fürderhin eben Short Messages Service heißen sollte. Aber nicht alle in der kleinen Firma glaubten an das neue Internetportal. Schwabs Co-Partner zog sich bald zurück und übersiedelte zu einem anderen Softwarespezialisten als Programmierer. Schwab schied Anfang 2000 aus, behielt aber 16 Prozent am Unternehmen. Er übergab an Pansy und Greiner. websms.at betreut derzeit 330.000 registrierte Benützer, "die größte Webcommunity im Land, ein Riesenpotenzial", sagt Pansy. Sein gegenwärtiges Unternehmensziel: "Wir wollen bei den Visits den ORF überholen." websms.at - inzwischen eine Tochter der New-Media- Gruppe "ucp", an der auch max.mobil beteiligt ist - sei aber nicht nur eine Plattform für Kurznachrichten. Mittlerweile werde eine ganze Reihe von Diensten (E-Mail und Irc-Services) angeboten. SMS mache nur noch 50 Prozent der Zugriffe aus, resümiert Andrea Greiner. Der SMS-Server steht mit 20 Rechnern in Wien. Die In 4. Spalte ternetplattform "u-boot" der Mutter ucp läuft auf derselben Hardware, wendet sich aber an ein jüngeres Publikum, die Gruppe der 14- bis 25-Jährigen. Neben den üblichen Diensten sollen Features wie eine Buddy-Liste für Traffic sorgen: Vom Handy schickt man ein SMS ans Boot, dieses leitet es an bis zu zehn Personen. Der Absender muss nur ein SMS bezahlen. Dass dies auch von kommerziellen Werbeaussendern benutzt wird, um Handybesitzer zuzumüllen, versu 5. Spalte chen die Betreiber zwar zu verhindern, können es aber, so wie auch Werbung über andere SMS-Plattformen, nie ganz ausschließen. "Man kann sich auf eine Sperrliste setzen lassen", erklärt sms.at- Chefin Greiner. Der Haken: "Man ist dann ganz gesperrt." Gegen anderen Missbrauch gibt es probatere Mittel: Wer Wörter wie "Mord", oder "tot" tippt, landet im "Schweinderlfilter", der darüber informiert, dass alle Mails gespeichert werden - für den Fall, dass dem Empfänger "ein Schaden entsteht". (Rottenberg Thomas)