Brüssel/Wien - Die EU-Kommission will verstärkt gegen traditionelle Gewalt an Frauen vorgehen. "Die EU-Kommission verurteilt diese Praktiken - ob sie mit kulturellen Traditionen verbunden sind oder nicht", sagte EU-Kommissarin Benita Ferrero Waldner hat am Dienstag in einer Pressekonferenz in Brüssel. Ein Teil aus dem mit 120 Millionen Euro dotierten EU-Topf für Menschenrechte und Demokratie soll nun gezielt in die Bekämpfung von traditioneller Gewalt gegen Frauen eingesetzt werden.

FGM, Zwangsehen, Ehrenmorde

Konkret geht es vor allem um die Bekämpfung von Genitalverstümmelung an Mädchen (FGM), um Zwangsverheiratungen und um Gewalt "im Namen der Ehre". Laut Justizministerin Karin Gastinger (B) werden nach Dunkelziffern in Österreich jährlich 8.000 Frauen Opfer von Genitalverstümmelung. Im gesamten EU-Raum soll es rund 500.000 Opfer dieser Praktiken geben.

Auf das Tableau gebracht wurde das Thema von der österreichischen EU-Ratspräsidentschaft. Ferrero-Waldner, Gastinger und Gesundheitsministerin Maria Rauch-Kallat (V) haben am Dienstag in Brüssel ein neues Internationales Netzwerk gegen traditionsbedingte Gewalt präsentiert.

Verletzung der Menschenrechte

Rauch-Kallat warnte davor, Genitalverstümmelung als religiöses Problem zu betrachten. In Afrika werde Genitalverstümmelung auch in christlichen Kreisen praktiziert. "Das ist keine moslemische Praktik", betonte die Gesundheitsministerin, die von einer "Verletzung der fundamentalen Menschenrechte" sprach. "Wir wollen das Thema auf die Agenda der EU und der internationalen Staatengemeinschaft bringen", sagte die Gesundheitsministerin.

Auch Mouddar Khouja von islamischen Glaubensgemeinschaft in Österreich betonte, dass 90 Prozent der Muslimen die Praktik der Genitalverstümmelung nicht kennten. Solche Praktiken fänden im Koran und in der Sunna keine theologische Grundlage. Im Gegenteil: Derartige Gewalt an Frauen werde nach den Glaubensregeln wie Mord bestraft, sagte Khouja.

FGM in Österreich

In Österreich galt Genitalverstümmelung immer schon als Körperverletzung. 2001 wurde in einer Novelle noch einmal klargestellt, dass "in eine Verstümmelung oder sonstige Verletzung der Genitalien, die geeignet ist, eine nachhaltige Beeinträchtigung des sexuellen Empfindens herbeizuführen", nicht eingewilligt werden kann - das heißt, dass der Täter, ob ohne oder mit Einwilligung des Opfers, für derartige Eingriffe in jedem Fall strafrechtlich zur Verantwortung gezogen werden kann. Außerdem besteht für Ärzte in Österreich und 13 weiteren Staaten eine Meldepflicht, wenn sie bei einem Patienten eine Genitalverstümmelung feststellen. (APA)