Möglichst wenig zu reden und möglichst wenig aufzufallen - das ist die Parole, die Israels Interimspremier Ehud Olmert vor den palästinensischen Wahlen an seine Regierungskollegen und die Sicherheitskräfte ausgegeben hat. Die Israelis scheinen beinahe ängstlich bemüht, alles zu vermeiden, was so aussehen könnte, als würden sie die Wahlen beeinflussen oder behindern wollen. Die Armee wurde angewiesen, Patrouillen und Razzien in den Westbank-Städten bis nach dem Wahltag zu unterlassen, und Straßensperren wurden mit hohen Verbindungsoffizieren bestückt, die den Kandidaten und Beobachtern die Bewegung erleichtern sollen.

Am vergangenen Sonntag ließen die Israelis plötzlich Fernsehkameras der bei den Palästinensern sehr beliebten arabischen Sender Al-Jazeera und Al-Arabia in Marwan Bargutis Gefängniszelle - ein Manöver, das der Fatah offenbar jene paar zusätzlichen Prozentpunkte eintragen sollte, die sie zur Verteidigung ihrer Führungsrolle braucht.

Protest der Hamas

Prompt beanstandete die Hamas, dies sei ein Eingriff in den Wahlkampf gewesen. Aber die Parolen, mit denen der Intifada-Kommandant, wegen der Beteiligung an Terrormorden zu fünfmal lebenslänglich verurteilt und jetzt Nummer eins auf der Fatah-Liste, in den Interviews die Hamas auszustechen versuchte, werden die Israelis auch nicht gefreut haben: "Unsere Bewegung wird nicht müde werden, ehe die palästinensischen Fahnen über den Mauern, den Moscheen und den Kirchen von Jerusalem wehen."

Dass Barguti als Häftling einen Posten in der nächsten palästinensischen Regierung bekleiden kann, schließen die Israelis aus. Aber es gilt als wahrscheinlich, dass Palästinenserpräsident Mahmud Abbas die Hamas als Koalitionspartnerin brauchen wird. Manche glauben, dass Israel dann gezwungen wäre, sich pragmatisch zu verhalten, besonders dann, wenn die Hamas, um sich als politische Instanz zu legitimieren, ihrerseits die relative "Waffenruhe" fortsetzt und Selbstmordanschläge unterlässt. (DER STANDARD, Printausgabe, 25.1.2006)