Berlin/München - Führende deutsche Politiker haben zum ersten internationalen Holocaust-Gedenktag dazu aufgerufen, die Erinnerung an die Nazi-Verbrechen wachzuhalten. Bundestagspräsident Norbert Lammert sagte am Donnerstag in Berlin, die Auseinandersetzung mit der "großen Katastrophe der Menschheitsgeschichte" werde immer schwieriger, da es bald keine authentischen Berichte von Zeitzeugen mehr geben werde. Der Tag der Befreiung des Konzentrationslagers Auschwitz ist seit 1996 in Deutschland der zentrale Gedenktag für die Nazi-Opfer.

Lammert sagte, jeder müsse begreifen, dass der Holocaust ein eigenes Thema sei, auch wenn er kein Bestandteil der Biografie sei. Es sei wichtig, eine Verbindung zwischen Vergangenheit und Gegenwart herzustellen. Das Gedenken müsse mit dem Nachdenken verbunden werden. Daraus müsse gerade für die nachwachsende Generation eine Verantwortung für die Zukunft erwachsen.

Immer wieder neu verteidigt

Die Präsidentin der Kultusministerkonferenz, Ute Erdsiek-Rave (SPD), sagte, es sei für die Zukunft der Gesellschaft von entscheidender Bedeutung, dass alle wüssten, dass Demokratie und Achtung der Menschenwürde nicht selbstverständlich seien. Vielmehr müssten diese Werte immer wieder neu verteidigt werden, sagte die schleswig-holsteinischen Bildungsministerin.

Der Vorsitzende der Linkspartei, Lothar Bisky, sagte, je länger der Holocaust zurückliege, desto wichtiger sei es, allen Opfern des deutschen Faschismus ein mahnendes Andenken zu bewahren und konsequent allen neofaschistischen und rechtsextremistischen Auffassungen entgegenzutreten. Der Rechtsextremismus sei nach wie vor eine Gefahr in Deutschland.

Befreiung von Auschwitz

Die Befreiung des Konzentrationslagers Auschwitz, des größten nationalsozialistischen Vernichtungslagers und Ort millionenfachen Judenmordes, jährt sich am 27. Jänner zum 61. Mal. Insgesamt wurden in dem Lager in der südpolnischen Stadt Auschwitz bei Krakau von Anfang 1942 bis Ende 1944 wahrscheinlich rund 1,5 Millionen Juden sowie viele Tausend Sinti und Roma und Polen umgebracht. Am 27. Jänner 1945 wurde das Konzentrationslager Auschwitz durch sowjetische Truppen befreit. Seit letztem Jahr ist der 27. Jänner auch ein offizieller internationaler Gedenktag der Vereinten Nationen.

Weiteres Denkmal in Berlin

Gut acht Monate nach Eröffnung des Holocaust-Mahnmals für die ermordeten Juden Europas soll in Berlin künftig ein weiteres Denkmal an die in der Nazi-Zeit verfolgten Homosexuellen erinnern. Eine Jury empfahl die Realisierung eines entsprechenden Entwurfs von Michael Elmgreen und Ingar Dragset, wie die Berliner Senatsverwaltung für Kultur mitteilte. Der Bund stelle für den Bau 450.000 Euro zur Verfügung. Das Denkmal solle "so schnell wie möglich" gebaut werden. Es soll gegenüber dem Holocaust-Mahnmal für die ermordeten Juden errichtet werden.

Bayern

In Bayern werden am Freitag zur Erinnerung an die Befreiung des KZ Auschwitz an öffentlichen Gebäuden landesweit die Fahnen auf Halbmast gesetzt. Schon für Donnerstagabend hatte die Deutsch-Israelische Gesellschaft zu einer Lichterkette in der Münchner Innenstadt aufgerufen. Sie wollte damit ein Zeichen für das Existenzrecht Israels in Sicherheit und Frieden setzen. Der Bayerische Landtag hatte zu einem Podiumsgespräch über die gegenwärtige Bedrohung Israels durch einige islamische Staaten geladen. "Von Auschwitz nach Teheran" war der Titel der Veranstaltung unter Schirmherrschaft von Landtagspräsident Alois Glück (CSU).

Polen

In Polen erinnern zwei historische Straßenbahnen aus dem Warschauer Ghetto an die Judenvernichtung: Sie fahren mit Davidssternen statt Liniennummer durch das ehemalige Ghetto. Drei der sechs Millionen ermordeten europäischen Juden stammten aus Polen. (APA/AP/dpa)