Wien - Mit Maria Rauch-Kallat derzeit in Kontakt zu kommen ist nicht einfach. Telefonieren fällt ihr schwer und ist ab dem Nachmittag schon meist unmöglich, am besten klappt die Kommunikation noch per E-Mail. Die Gesundheitsministerin hat nämlich im Zuge einer Kehlkopfentzündung ihre Stimme fast völlig verloren. Was geblieben ist, lässt sich am ehesten als heiseres Flüstern umschreiben.

Wie sehr der Beruf des Politikers der eines "Sprechers" ist, ist nicht nur Rauch-Kallat seitdem schmerzhaft bewusst geworden, denn erst "im heiseren Zustand merkt man, wie viel der täglichen Arbeit mit Sprechen verbunden ist". Volksvertreter ohne Stimme sind wie Schauspieler in einem Stummfilm, dem die Inserts fehlen - sie können zwar auftreten, aber nicht das tun, wofür sie da sind: ihr politisches Produkt anpreisen.

Doppelt gefordert

Rauch-Kallat, während der EU-Präsidentschaft doppelt gefordert, behilft sich derzeit mit Taferln, nicken und Kopfschütteln - was, wie sie selbst zugibt, "beim Telefonieren leider unmöglich und bei öffentlichen Auftritten oder Referaten ziemlich schwierig" ist. Sie behandelt ihre Entzündung, die sie sich in einem überklimatisierten Bus in Mexiko geholt hat, multipel: Antibiotika, Inhalieren, Lutschtabletten, Salbeitee-Gurgelkuren. Die beste Medizin kann sie nicht anwenden: konsequent schweigen.

"Politiker-Sein ist ein sprechender Beruf", sagt Tatjana Lackner von der Schule des Sprechens, "dennoch arbeiten die meisten Politiker nicht präventiv an ihrer Stimme, sondern beginnen damit erst, wenn ein gewisser Leidensdruck da ist." Bestes Beispiel dafür ist FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache, der den Wiener Wahlkampf als "Joe Cocker der Innenpolitik" (Strache über Strache) beendet hat. Für Kommunikationsexpertin Lackner nicht verwunderlich: "Wenn sich ein Schauspieler beim Premierenabend schon so ausschreien würde wie Strache, hätte er für die Folgevorstellungen auch keine Stimmkraft mehr."

Strache stilisiert sein Stimmprobleme gerne zum Beleg für seinen überirdischen Wählereinsatz hoch. "Ich habe Tag und Nacht den Wählern meine Stimme geschenkt, sie haben sie mir am Wahlabend zurückgegeben." Die Wahrheit ist etwas weniger romantisch: Straches Stimmprobleme waren ein klassischer Fall von Wahlkampfüberanstrengung. Zu viele Termine, schneller Wechsel von Kälte und Wärme, zu wenig Regeneration. Die medizinische Diagnose lautete bei ihm schlicht Sodbrennen. Mit Bepanthen-Lösungen und Antibiotika versuchte er die durch den Magensaft angegriffenen Stimmbänder zu versöhnen.

Inzwischen geht Strache das Politiker-Dasein bewusster an: Er achtet auf Ruhephasen, ernährt sich stärker basisch und plant ein professionelles Stimmband- und Atemtraining. Strache: "Mehr aus dem Bauch heraus."

Wie schnell eine schlecht ausgebildete Stimme zum unerwünschten Wahlkampfnebenthema werden kann, erlebte auch die ÖVP-Kandidatin Benita Ferrero-Waldner während der Präsidentschaftskampagne 2004. Sie klang am Ende regelrecht verrucht und gestand offen ein: "Mehr Wahlkampfreden könnte ich nicht mehr halten."

Sicher kein Problem mit strapazierten Stimmbändern hat nur einer: Schweigekanzler Wolfgang Schüssel. (DER STANDARD, Printausgabe, 27.1.2006)