Geschlechterpolitik
Rätselraten um Mehrkosten des Karenzgeldes für alle
Analyse von Lydia Ninz
Wien - Die politischen Wochenendaussagen der Regierungspolitiker sorgten für Verwirrung. Wie hoch sind die Mehrkosten
für das neue Kinderbetreuungsgeld tatsächlich? Drei Milliarden Schilling, wie Wirtschaftsminister Martin Bartenstein (VP)
sagte. Oder vier Milliarden, wie die zuständige Generationsministerin Elisabeth Sickl verkündete? Oder gar 5,2 Milliarden S,
wie die Arbeiterkammer (AK) vorrrechnete?
Drei und vier Milliarden S sind auf alle Fälle zu niedrig gegriffen, versichern am Montag die Sprecher von Sickl und
Bartenstein. Beide hätten lediglich die Verlängerung um ein halbes Jahr auf zwei Jahre gemeint, seien aber nicht vollständig
zitiert worden. Das allein koste 3,7 Mrd. S mehr. Sickl hat offensichtlich nach oben gerundet, Bartenstein nach unten.
Die Mehrkosten des Kinderbetreuungsgeldes für alle - ein halbes Jahr länger, drittes Jahr für Partner, auf 6250 S erhöht, auf
bisher nicht berechtigte Personen ausgeweitet - würden 5,2 Mrd. S ausmachen, versichern die Sprecher beider Ministerien
unisono und stimmen mit der AK überein.
Doch dem Familienlastenausgleichsfonds (Flaf) kostet diese neue Familienleistung mehr: Er muss ja ab 2002 auch den
Anteil der Arbeitslosenversicherung übernehmen, das sind 2,4 Mrd. S im Jahr. Für den Flaf sind es insgesamt um 7,6 Mrd. S
mehr. Auch darin stimmen Regierung und die AK-Kritiker noch so ziemlich überein.
Strittig ist, ob die Überschüsse des aus Firmenbeiträgen gespeisten Flaf ausreichen werden, um die Zusatzausgaben zu
decken, oder ob sich Österreich, dessen Staatsschulden ohnehin in Brüssel gerügt werden, noch mehr verschulden wird. Die
Regierung glaubt, dass die Fonds-Überschüsse ( 6,7 Mrd. S in 2002, 8,3 Mrd. S in 2003) die Mehrkosten abdecken werden,
Arbeiterkammer und Grüne hegen massive Zweifel.
Tatsächlich gibt es noch drei ungeklärte Punkte, die alle Rechenkünste wieder über den Haufen werfen und die Sache noch
gehörig verteuern könnten: die Väterkarenz, die Beamtenbabys und die Arbeitslosenversicherung.
Alle Rechnereien gehen davon aus, dass nur zwei Prozent der Väter das dritte Jahr übernehmen. Aber wenn 20.000 S brutto
dazuverdient werden dürfen, könnten es erheblich mehr sein und ordentlich ins Geld gehen.
Beamtenbabys: Mütter, die bei Bund, Ländern und Gemeinden angestellt sind, bekommen momentan das Karenzgeld vom
Staat bezahlt. Wenn das Kinderbetreuungsgeld in eine Familienleistung umgewandelt wird, müsste das eigentlich auch der
Flaf zahlen. Dann kämen Mehrausgaben von 1,2 Mrd. S auf ihn zu, wie das Sickl-Ministerium einräumt.
Ungeklärt ist, ob karenzierte Mütter, die vorher gearbeitet haben, nicht nachher Anspruch auf Arbeitslosengeld haben
müssten. Das würde sich laut AK mit zwei Milliarden S zu Buche schlagen.