Moussa Kone (li.) und Erwin Uhrmann und ihre "Kunstklappe" in der Myrthengasse. Immer wieder werden gestohlene und andere Kunstgegenstände eingeworfen.

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Jetzt zeigt sich: Der mutmaßliche Täter lebte im Grätzel.

Wien – Der Salieraraub hatte sie inspiriert. Der Künstler Moussa Kone und der Schriftsteller Erwin Uhrmann installierten bei ihrer "Werftgalerie" in der Myrthengasse in Wien-Neubau eine "Kunstklappe". Auf dass reumütige Täter dort garantiert anonym Diebsgut und schlechtes Gewissen wieder loswerden können.

Jetzt, wo die Saliera wieder gefunden und ihr mutmaßlicher Dieb Robert Mang gefasst ist, zeigt sich: Mang hätte es nicht weit gehabt – nur ein paar Schritte wären es gewesen, um das Angebot der "Kunstklappe" zu nützen und sich eine Menge Zores zu ersparen. Mangs Geschäft für Alarmanlagen in der Kirchengasse, seine Wohnung in der Westbahnstraße und die "Werftgalerie" in der Myrthengasse bilden ein Dreieck im Bezirk Neubau. Ursprünglich soll die Saliera in der Wohnung in der Westbahnstraße in einem Koffer versteckt worden sein – bevor sie ins Waldviertel "übersiedelte".

Mit der Kunstklappe hatte es ähnlich wie bei Mang begonnen. Letzterer hatte laut seiner Aussage auf nächtlichem Heimweg das Gerüst am Kunsthistorischen Museum gesehen und spontan gehandelt. Erwin Uhrmann wiederum las in der Straßenbahn in der Zeitung vom Salieraraub, blickte auf, sah draußen gerade das Kunsthistorische und dachte: "Das geht bei uns so einfach – wir sollten es ihnen noch ein bisserl leichter machen", erinnert er sich.

So entwickelten Uhrmann und Kone erst das Projekt "Kunst zum Stehlen": In der Myrthengasse wurde eine offene Vitrine eingerichtet, in die immer wieder Kunstgegenstände aus aktuellen Ausstellungen hineingestellt wurden, die dann – wie beabsichtigt – binnen kürzester Zeit verschwunden waren.

Dann hatten sie sich überlegt, wie sie das Konzept weiterentwickeln könnten – und funktionierten im Herbst 2004 eine ehemalige Kellerklappe zur "Kunstklappe" um. Gelb angestrichen ist die – dahinter eine Rutsche zu einem gepolsterten Auffangraum.

"Eine" Saliera

Schnell stellte sich heraus: Das anfänglich begrinste Kunstprojekt wurde tatsächlich angenommen. Natürlich landen die unterschiedlichsten Objekte im Keller hinter der Klappe. Echtes Diebsgut – "circa 70 Prozent", schätzt Kone, dazu kommen nicht zuordenbare Stücke oder Werke junger Künstler, die sich so ein bisserl Bekanntheit erhoffen, aber auch Fälschungen. So wurde etwa einmal ein "Munch" eingeworfen. Und fast genau ein Jahr vor dem Saliera-Fund rutschte am 27. 1. 2005 bereits eine Saliera die Klappe runter. Aber eben nur eine Saliera aus Wachs, nicht die Saliera.

Dann aber die wirklich verblüffenden Funde: Wie etwa zwei Barockengel, die, wie sich herausstellte, vor langer Zeit in der Waldviertler Gemeinde Maissau gestohlen worden waren. "Nach 30 Jahren ist es an der Zeit, dass die Engel Weihnachten wieder in ihrer Heimat feiern", schrieb der Bekenner und unterzeichnete mit "die rote Schlange". Oder auch: Das Stadtwappen von Kronberg, das ebenfalls in den 70er-Jahren entwendet worden war.

15 Gegenstände waren von "Phantomarts" eingeworfen worden, der alle seine Beutestücke sogar mit seinem Decknamen abgestempelt hatte. "Phantomarts", so fanden Uhrmann und Kone heraus, ist als reale Person in der Kunstszene sehr bekannt. Aber mehr wollen sie gar nicht wissen – Anonymität ist zugesichert.

Alle gefundenen Gegenstände werden in die "Sammlung gestohlener Kunst" aufgenommen und dokumentiert. Wenn möglich werden sie ihren Besitzern zurückerstattet. Derzeit ist die gestohlene Kunst in der Sammlung Essl zu sehen. Und kommende Woche wird sogar eine Außenstelle eingerichtet: In Köln in Kooperation mit der Kölner Messe und dem internationalen "Art Loss Register".

Freitagmorgen wurden Uhrmann und Kone schon wieder fündig. Ein Cocoon-artiger Kunstgegenstand mit Bekennerschreiben. Das Werk von Mariani Giorgio sei 1996 auf einem offenen Psychiatriegelände in Italien entwendet worden, hatte der Täter im Brief geschrieben. "Danke im Voraus für meine moralische Reinwaschung". (DER STANDARD, Printausgabe, 28./29.1.2006)