Im winter bleibt einem der Blick in liebevoll gestaltete Zen-Gärten vorenthalten, weiße Landschaft steht dem Interieur allerdings auch.

Hotel Madlein
Die Schatten der Dekor-Seesterne werden länger, und draußen vor der gläsernen Front ergießt sich der meeresblaue Himmel über dem Berg. Tirol - in diesem Moment zeigt es sich von seiner Bilderbuchseite: Eine Herde Schäfchenwolken trabt übers gezackte Profil der Silvretta hinweg, die nahende Dämmerung tüncht das Firmament gnadenlos Milkakuh-farben ein. Doch auch ein wenig Strampeln und Keuchen und Schönschwitzen geht sich an diesem Abend noch aus, schließlich will mancher fit zum Ischgler Cocktailabend erscheinen. Ächzend transpiriert der angestrengte Nebenmann an der Bizeps-Bläh-Maschine. Bergetappe ist angesagt, in diesem Fall allerdings nur im Gymnastikraum eines Hotels, das mit Bezügen zur grandiosen Naturkulisse nicht geizt.

Madlein heißt dieses, genau so wie man im Tiroler Dialekt die ringsum gelegenen Bergseen und -wiesen nennt. Zweifellos handelt es sich dabei um besonders elegant gemähte Zimmerwiesen. Warum das so ist, verrät mit schweigsamer Strenge jede Ecke des Hauses. Tirolerisch, mit Zirbenholz und Herrgottswinkel, kommt Österreichs vermutlich trendigstes Alpenhotel keinesfalls daher. Stattdessen wird mit jedem Zentimeter Hotel pure Zen-Philosophie verbreitet. Kein Objektmöbel, das es wagen würde, sich hier unnötig wichtig zu machen. Kein vordergründiges Dekor, das von der meditativen Ruhe, vom Bekenntnis zur elementaren Architektur ablenkt.

Beste Ischler Dorflage

Dass sich hier, in bester Ischgler Dorflage und gerade hundert Meter von den Pisten der Silvretta-Skiarena entfernt, ein Stückchen Fernost-Tirol etablieren konnte, sprach sich im Laufe der Zeit denn auch herum. Modefotografen und Models haben das Madlein als alpine Location entdeckt, Ähnliches gilt für die schreibenden Trendnasen von Wallpaper bis Vogue - auch sie haben das Tiroler Design-Kleinod längst in ihre Hochglanz-Gazetten gepackt. Ein Blick auf das Atrium und in den Garten (allerdings ohne Schnee) verrät auch, warum.

Eine fast zeremoniell anmutende Feuerstelle setzt hier archaische Akzente, und über allen Bonsai-Wipfeln herrscht Ruh. Geharkte Kiesbeete, gerundete Steinblöcke, kleine Wasserfälle - alles da, was der Hobby-Mönch begehrt, und ein Steg führt zum kleinen, auf 40 Grad beheizten Madlein-See. Esoteriker mögen hier aufatmen, schwer könnten sich überzeugte Atheisten tun. Immerhin beinhaltet die auf kleinem Raum nachgestaltete Naturlandschaft eine "heilige Zone" - mit Pflanzen, Bäumen und weißem Kies, auf dem sich, so meint man im Madlein, die Tiroler Baum- und Berggötter niederlassen dürfen. Sicherheitshalber verstärken an verschiedenen Stellen installierte Nebelmaschinen, die mittels wabernder Schwaden nebelverhangene Wälder simulieren, die Künstlichkeit der inszenierten Natur.

An Grenzen versucht sich indessen die Architektur selbst. Nur eine Glasmembrane trennt in den - übrigens mit zeitgenössischer Kunst ausgestatteten - Zimmern das Bett sowie das Badezimmer von der Außenwelt. Meditieren könnte man im Madlein aber auch über das Serviceangebot: Etwa wenn im Madlein Beauty-Spa dank Thalassotherapie oder Algengel-Packung Schönheit aus dem Wasser entsteht. Oder wenn winters zwar nicht der Berg zum prophetischen Designerhotel, aber doch zumindest die Skiausrüstung zum Gast kommt. Dafür sorgt der Rent & Go Shop - wobei mit Go ausnahmsweise nicht das japanische, sondern das urtirolerische Ski-Brettspiel gemeint ist. (Der Standard, Printausgabe 28./29.1.2006)