Israel
Erreichtes sichern
Von Ben Segenreich
Die eine "spezielle Qualifikation", wegen der Ehud Barak gewählt wurde, habe er immer noch, scherzte neulich ein
israelischer Karikaturist, "er ist nicht Bibi Netanyahu". Aber sonst hat Barak wirklich wenig vorzuweisen - fast alles, was unter
Israels sozialdemokratischem Premier so geschieht, kommt einem aus der Amtszeit des früheren Likud-Chefs sehr bekannt
vor, dessen unrühmlicher Abgang vor einem Jahr von so vielen weithin hörbaren Seufzern der Erleichterung begleitet worden
ist.
Die Koalition zerbröckelt, der nächste Generalstreik, diesmal aufgrund einer Steuerreform, steht vor der Tür, der Dialog
zwischen Israel und Syrien ist ergebnislos abgebrochen, die Palästinenser wollen mehr Gefangene freibekommen und mehr
Territorium, als Israel geben kann - und jetzt schießen sogar israelische Soldaten und palästinensische Polizisten wieder
aufeinander, woran doch 1996 einzig Netanyahus forscher Stil schuld gewesen sein soll.
Langsam greift die Erkenntnis um sich, dass nicht der schlechte Wille des einen oder anderen Politikers den Fortschritt
blockiert, sondern reale Interessengegensätze. Gesten und partielle politische Tauschgeschäfte können zur Entspannung
beitragen, doch der im Oslo-Konzept vorgesehene rasche Vorstoß in eine Situation, wo alle Probleme als gelöst erklärt
werden können und die große Verbrüderung ausbricht, scheint unmöglich.
Vielleicht wird man in einen Verhandlungsmechanismus gezwungen, in dem gewisse Fragen - etwa Jerusalem - beiseite
gelegt und erst nach Jahren wieder aufgegriffen werden. Ganz wichtig ist dabei aber, das bereits Erreichte nicht zu gefährden.
Den Habitus, mit der Androhung oder Ausübung von Gewalt nachzuhelfen, wenn Verhandlungen stocken, sollten die
Palästinenser daher besser ablegen.