Passau/München - Im bayerischen Wildfleisch-Skandal haben ehemalige Mitarbeiter Verstöße gegen das deutsche Lebensmittelrecht zugegeben. Zwei ehemalige leitende Mitarbeiter der Berger Wild GmbH räumten in Vernehmungen ein, dass Fleisch umdatiert und Tiefkühlware als Frischfleisch verkauft wurde. Die örtlichen Behörden wussten spätestens Mitte 2005 von möglichen gesundheitlichen Gefährdungen. In einem Papier vom 13. Juli 2005, das vermutlich vom Hauptzollamt Landshut an die Kriminalpolizei Passau ging, hieß es: "Es besteht auch der Verdacht, dass die Gesundheit vieler Menschen geschädigt wird, indem man nicht genussfähiges Wildbret unter falschen Angaben in den Verkauf bringt."

Nach Angaben aus Ermittlerkreisen hieß es am Sonntag, der technische Leiter des Logistikzentrums der Firma sowie der Leiter einer Betriebsstätte seien in der vergangenen Woche vernommen worden. Sie hätten die Verlängerung des Mindesthaltbarkeitsdatums und den Verkauf von aufgetautem Tiefkühlfleisch als Frischfleisch zugegeben. Außerdem räumten sie den Informationen zufolge ein, Mufflon-Fleisch als Gamsfleisch in Verkehr gebracht zu haben. Die Ermittler sollen bei der Firma nochmals mehr als 70 Aktenordner und vier Computerfestplatten beschlagnahmt haben. Die Firma war nicht erreichbar, sie hat ihre Homepage aus dem Internet genommen.

Stärke injiziert

In dem Papier vom Juli 2005 heißt es weiter, neben der Umetikettierung sei in Fleisch Stärke injiziert worden. Zuweilen sei auch mit Stabilisatoren gearbeitet worden, "da das Fleisch dann nach zehn Tagen so aussieht wie am ersten Tag", zitiert das Schreiben aus einer sichergestellten E-Mail. "Als besondere 'Delikatesse' werden auch 'Ratten' gehandelt", ist in dem Papier zu lesen. Bereits am 1. März 2005 hatte es laut Polizeipräsidium Niederbayern/Oberpfalz eine Besprechung zwischen Ermittlern und Veterinäramt Passau gegeben. Gegenstand seien die wesentlichen Inhalte von insgesamt 22.500 E-Mails mit Verdachtsmomenten auf lebensmittel-, seuchen- und hygienerechtliche Verstöße gewesen.

Der deutsche Verbraucherschutzminister Werner Schnappauf kündigte am Sonntag in einem dpa-Gespräch erste Konsequenzen an. Amtliche Tierärzte sollten nicht mehr dauerhaft, sondern nur noch für zwei bis drei Jahre ein bestimmtes Unternehmen überwachen. Eine derartige Rotation könne eine persönliche Bindung der Tierärzte an einen Betrieb verhindern. Als längerfristige Maßnahme könne er sich vorstellen, die Lebensmittelkontrollen zur Staatsaufgabe zu machen und einen "Lebensmittel-TÜV" damit zu beauftragen. Die Maßnahmen werde er am Dienstag im Kabinett vorstellen und schnellstmöglich umsetzen.

"Hinter den Vorgängen in Passau steckt hohe kriminelle Energie", sagte Schnappauf. Die Passauer Berger Wild GmbH habe die amtlichen Fleischbeschauer gezielt getäuscht. Unklar sei, ob und bei welcher Behörde es Versäumnisse gegeben habe. "Die Versäumnisse liegen vor Ort - was sich da genau abgespielt hat, muss konsequent und lückenlos aufgeklärt werden". Die Sonderkommission "Wild" sei auf acht Beamte aufgestockt worden. "Der Vorgang ist viel zu gravierend, als dass das ohne Folgen bleiben könnte."

Ob durch das verdorbene Fleisch Menschen erkrankten, sei "spekulativ". Die komplette mikrobiologische Begutachtung aller aus dem Handel stammenden 64 Wildfleischproben solle bis Mitte der Woche vorliegen. Von 53 Tiefkühlproben waren nach bisherigen Erkenntnissen 15 nicht für den Verzehr geeignet, das Ministerium weitete seine Rückrufaktion aus. Die Produkte der Firma waren den Erkenntnissen zufolge in fast alle deutschen Bundesländer sowie nach Österreich, Italien und Frankreich geliefert worden. Insgesamt geht es um eine Gesamtmenge von rund 12 Tonnen Fleisch.

Der Firma Berger, die einen Jahresumsatz von rund 30 Millionen Euro hatte und als Europas größter Wildfleischhändler galt, war am Freitag die Zulassung für ihre beiden deutschen Filialen bei Passau entzogen worden. Allerdings soll es in Österreich und Polen weitere Betriebsstätten geben, die Behörden seien informiert. Über die Schließung eines Kühlhauses in Passau soll kommende Woche entschieden werden. Von dort gelagertem Fleisch wurden 220 Proben genommen. "Wir haben die Vermutung, dass das, was im Kühlhaus gelagert ist, zu einem Teil nicht mehr genießbar ist", sagte Ministeriumssprecher Roland Eichhorn. (APA/dpa)