"Mein Gott, bitte schön!" Kindermedienmulti Thomas Brezina ("Drachenschatz", "Tom Turbo", "Forscher Express") in der Lounge des Hotel Bristol. Der Herr links verneigt sich nur vor seinem Orangensaft und Einrichtungsgegenständen.

Foto: DER STANDARD/Cremer

STANDARD: Sollen Drei- bis Sechsjährige fernsehen?

Brezina: Wir müssen mit der Tatsache umgehen, dass unter Sechsjährige vor dem Fernseher sitzen. Dann sollen sie etwas bekommen, wo ich für meinen Bereich sagen kann, dass sie sich gut aufgehoben und sicher fühlen, dass sie sich nicht belehrt oder bevormundet fühlen, aber dass sie etwas mitkriegen, dass sie eine positive Lebenshaltung gezeigt kriegen, sehen, dass die Welt Faszinierendes zu bieten hat, dass es interessante und wissenswerte Sachen auf dieser Welt gibt.

STANDARD: Und der ORF meint, Sie sind der einzige, der das kann. Positiv gefragt: Was ist das Geheimnis Ihres Erfolges?

Brezina: Es hat mich immer interessiert, Kinder mit Geschichten zu faszinieren. Ich sehe mich auf einer Höhe mit den Kindern, sage nicht: Ich weiß, wie es geht. Ich kann ihnen nur etwas anbieten. Wenn sie das nehmen und nützen, ist das schön. Und sie nehmen es halt sehr gern.

STANDARD: Sie haben laut Ihrem PR-Mann 400 Bücher geschrieben, die 20 Millionen Mal gedruckt und in 33 Sprachen übersetzt wurden. Geben Sie uns doch mehr Einblick in das Unternehmen Brezina.

Brezina: Thomas Brezina ist kein Unternehmen. Mein Gott, bitteschön! Wenn es um Kinder geht, wird es immer reduziert auf Zahlen und Unternehmen, und dann imponiert es Erwachsenen. Mich fasziniert, wenn sich chinesische Eltern bedanken, dass ihr Kind, das nie gelesen hat, meine Bücher liest.

STANDARD: Sie machen das nur für Lob und Anerkennung?

Brezina: Nein, weil es mir einen Riesenspaß macht. Aber wenn Menschen so darauf reagieren, dann ist es das Höchste, was man dafür kriegen kann.

STANDARD: Wie viel Geld macht man mit dem Riesenspaß?

Brezina: Darüber werde ich nie eine Aussage treffen. Daran will ich nie gemessen werden.

STANDARD: Montag wurden Sie 43. Ihr jugendliches Outfit wirkt wie eine von vielen Komponenten einer Vermarktungsstrategie. Und wie Sie betonen, wie sehr Erwachsene Kinder unterschätzen.

Brezina: Ich finde das so schade, dass Sie das in so eine Richtung bringen. Genau diese Meinung schadet dem Ansehen der Kinder, das sie zurzeit genießen.

STANDARD: Das klingt, als würde man alle Kinder kritisieren, sobald man Sie hinterfragt.

Peter Menasse: Wissen Sie besser, was Kinder zu mögen haben? Die Kinder wollen, was Herr Brezina tut. Sein Erfolg gibt ihm Recht.

STANDARD: Nicht alles, was Quote macht, ist zwingend gut. Ist "Titanic" der beste und anspruchsvollste Film aller Zeiten, nur weil er an den Kinokassen am meisten einspielte?

Brezina: Was ist gut, was anspruchsvoll, was Literatur?

STANDARD: "Titanic" fällt mir da jedenfalls nicht als Erstes ein.

Brezina: Haben Sie Kinder?

STANDARD: Nein. Warum haben Sie eigentlich keine?

Brezina: Das hat verschiedene Gründe. Einer der Hauptgründe lautet: In der Welt, in der ich lebe, könnte ich ihnen nicht genügend Zeit und Aufmerksamkeit geben. Meine Kinder sind zurzeit mehr meine Geschichten.

STANDARD: Wollen Sie denn einmal Kinder haben?

Brezina: Da könnte gut sein. Mein größtes Credo gegenüber Kindern: Man kann nur so sein, wie man ist. Ist man authentisch, hat man die größte Chance, dass man ihnen gefällt. Was anbiedernd ist, wittern Kinder enorm schnell. Ich mag nicht, wenn etwas bewusst cool ist ...

STANDARD: Wie Coolio, Ihr Drache in "Drachenschatz"?

Brezina: Der heißt Coolino.

STANDARD: Oh, Pardon. Letzte Frage, Achtung, Ironie: Streben Sie nach der Weltherrschaft?

Brezina: Wenn das bedeuten würde, dass man auf dieser Welt diesen Hass, dieses Grauen beenden könnte, fände ich das absolut erstrebenswert. Kein Kind will Krieg, kein Kind will Hungersnot, kein Kind will seine Eltern durch Aids verlieren ...

STANDARD: Es gibt durchaus auch Erwachsene, die weder Krieg noch Hungersnot noch Aids wollen.

Brezina: Wenn man das alles dadurch verbessern könnte, hätte das sicher seinen Sinn. Ob so eine Position allerdings erstrebenswert ist? Nein, ich glaube es keine Sekunde. (DER STANDARD, Printausgabe, 1.2.2006)

Im Folgenden die Langfassung des Interviews. STANDARD: Drei Wochen "Drachenschatz". Wie zufrieden sind Sie mit ihrer neuen Sendung?

Brezina: Außerordentlich zufrieden. Die Resonanz des Publikums ist toll. Wir liegen jeden Tag an der Spitze des Kinderprogramms.

STANDARD: Von dem "Drachenschatz" einen Gutteil verdrängt hat – und dazu einen besseren Sendeplatz als seine Vorgänger bekam.

Brezina: Mit einer Eigenproduktion besser zu liegen als mit einem Zeichentrick, wie früher auf dem Sendeplatz, ist etwas sehr Wichtiges.

STANDARD: Gleich nach dem Start von "Drachenschatz" schalteten während einer Sendung die ganz jungen Zuschauer reihenweise weg.

Brezina: Einzelne Tage können Sie beim Kinderprogramm nicht nehmen. Die Quoten schwanken enorm rauf und runter. Interessant sind längere Strecken. Da zeigt sich: In unserer Zielgruppe, das sind die Sieben- bis Elfjährigen, läuft es extrem gut. Bei den Drei- bis Sechsjährigen, die nicht unsere ursprüngliche Zielgruppe waren, läuft es ebenfalls gut. Erwachsene schauen auch noch zu.

STANDARD: Ist es erstrebenswert, dass Drei- bis Sechsjährige fernsehen?

Brezina: Wenn Eltern Kindern den Umgang mit Medien zeigen, ist das immer sinnvoll. Wir leben im Jahr 2006. Meine Erfahrung in meinem relativ großen Freundeskreis ist: Familien, die Fernsehen nicht verbieten, aber klar und bedacht damit umgehen, dort gehen auch die Kinder am lockersten damit um. Je mehr verboten wird, je mehr ein Mysterium daraus gemacht wird, umso interessanter wird es. Gesamtheitliches, sinnliches Erfahren der Welt ist wahrscheinlich die wichtigste Bildung, die wir Kindern geben können.

Weiter: Brezina über das Geheimnis seines Erfolges.

STANDARD: Ist Fernsehen eine sinnliche Erfahrung?

Brezina: Damit habe ich nicht das Fernsehen gemeint. Wir müssen aber mit der Tatsache umgehen, dass unter Sechsjährige vor dem Fernseher sitzen. Aber wenn sie davor sitzen, sollen sie etwas bekommen, wo ich für meinen Bereich sagen kann, dass sie sich gut aufgehoben und sicher fühlen, dass sie sich nicht belehrt oder bevormundet fühlen, aber dass sie etwas mitkriegen, dass sie eine positive Lebenshaltung gezeigt kriegen, sehen, dass die Welt Faszinierendes zu bieten hat, dass es interessante und wissenswerte Sachen auf dieser Welt gibt.

STANDARD: Und der ORF meint, der einzige, der das kann, sind Sie. Positiv gefragt: Was ist das Geheimnis Ihres Erfolges?

Brezina: Ich tu mir immer schwer, diese Frage zu beantworten. Das kommt aus mir heraus. Es hat mich immer interessiert, Kinder mit Geschichten zu faszinieren. Das war auch vor 20 Jahren so, als ich im Radio Hörspiele geschrieben habe. Ich sehe mich als Geschichtenerzähler. Wenn ich das Gefühl habe, ihre Augen funkeln, dann weiß ich, so will ich es erzählen. Ich sehe mich auf einer Höhe mit den Kindern, sage nicht: Ich weiß, wie es geht. Ich kann ihnen nur etwas anbieten. Wenn sie das nehmen und nützen, dann ist das schön. Und sie nehmen es halt sehr gern.

STANDARD: Sie haben laut ihrem PR-Mann 400 Bücher geschrieben, von denen 20 Millionen gedruckt und die in 33 Sprachen übersetzt wurden. Geben Sie uns doch ein bisschen mehr Einblick in das Unternehmen Thomas Brezina.

Brezina: Thomas Brezina ist kein Unternehmen. Mein Gott, bitteschön! Wenn es um Kinder geht, wird es immer reduziert auf Zahlen und Unternehmen, und dann imponiert es Erwachsenen. Das zeigt, wie wenig sich Erwachsene damit auseinandersetzen wollen, was Kinder fasziniert. Mich fasziniert, wenn sich chinesische Eltern bedanken, dass ihr Kind, das nie gelesen hat, meine Bücher liest, wenn sich chinesische Mädchen bedanken, dass ein Mädchen die Hauptrolle spielt.

STANDARD: Sie machen das also alles nur für Lob und Anerkennung.

Brezina: Nein, ich mache es deshalb, weil es mir Riesenspaß macht. Aber wenn Menschen so darauf reagieren, dann ist es das Höchste, was man dafür kriegen kann.

STANDARD: Wieviel Geld macht man mit dem Riesenspaß?

Brezina: Darüber werde ich nie eine Aussage treffen.

STANDARD: Warum nicht?

Brezina: Weil ich daran nicht gemessen werden will.

STANDARD: Fürchten Sie Neid?

Brezina: Ich fürchte ihn nicht. Jeder hat die Wahl: Man kann sich über Dinge freuen. Das ist gesundheitsfördernd. Oder man kann neidig sein und bereitet sich damit Gallenbeschwerden. In mir steckt offensichtlich etwas, aus dem ich etwas mache. Das ist ein Geschenk.

Weiter: Position von Kindern in der Gesellschaft, "Berufsjugendlicher".

STANDARD: Warum wehren sie sich so gegen den Begriff Unternehmer oder Unternehmen?

Brezina: Kreative Tätigkeiten für Kinder werden sehr oft nicht als solche anerkannt. Das hat mit der Position von Kindern in der Gesellschaft zu tun. Das ist eben keine sehr gute, keine den Kindern gegenüber sehr respektvolle Position. Kinder werden oft als Stück Plastilin gesehen, und das kneten wir uns jetzt zurecht. Wie Kinder gesehen werden, werden auch Produktionen für Kinder, Kinderbücher gesehen: ein Anhängsel, ein kleiner Bruder. Am leichtesten tun sich Erwachsene, wenn sie das auf eine berechenbare Ebene bringen können. Für jemanden, dessen Leben darin besteht, Sachen zu gebären, zu erfinden, ist das etwas unbefriedigend. Ich will es nicht.

STANDARD: Sie wurden am Montag 43. Wenn Sie vor mir sitzen, assoziiere ich den Begriff Berufsjugendlicher. Wie lange kann man das machen und wie lange kann man im Kinderprogramm auftreten?

Brezina: Schade, dass Sie das so sehen. Wie Sie mich heute sehen, so bin ich, so fühle ich, so ist mein Leben. Ich spiele keine Rollen. Ich versuche auch im Fernsehen so zu sein, wie ich bin. Natürlich trete ich in "Forscher Express" anders auf als in "Tom Turbo" oder "Drachenschatz". Aber im Prinzip bin das immer ich.

STANDARD: Das jugendliche Outfit ist wohl auch eine kleinere von vielen Komponenten Ihres Erfolges. Und dass sie so betonen, wie sehr Kinder von Erwachsenen unterschätzt werden. Das klingt alles nach Teilen Ihrer Vermarktungsstrategie.

Brezina: Ich finde das so schade, dass Sie das in so eine Richtung bringen. Genau diese Meinung schadet dem Ansehen der Kinder, das sie zur Zeit genießen. Noch mehr schadet, wenn man sagt: Das kann doch nicht ernst gemeint sein, das kann man nicht machen, das ist doch nur eine Masche. Warum?

STANDARD: Das klang jetzt so, als würde man alle Kinder kritisieren, sobald man Sie kritisiert oder hinterfragt.

Menasse: Ich weiß nicht, ob Sie das britische Kinderfernsehen verfolgen. Dort geht man mit den Kindern viel egalitärer um, als es bei uns üblich ist. Das ist keine Masche, es kommt an.

Brezina: Haben Sie Kinder?

STANDARD: Nein. Haben Sie Kinder?

Brezina: Nein.

Standard: Warum nicht?

Brezina: Das hat viele verschiedene Gründe. Einer der Hauptgründe lautet: In der Welt, in der ich lebe, könnte ich ihnen nicht genügend Zeit und die Aufmerksamkeit geben. Meine Kinder sind zur Zeit mehr meine Geschichten.

Menasse: "Die Kinder wollen, was Herr Brezina tut."

STANDARD: Wollen Sie einmal Kinder haben?

Brezina: Das könnte gut sein. Mein großes Credo gegenüber Kindern: Man kann nur so sein wie man ist. Ist man authentisch, hat man die größte Chance, dass man ihnen gefällt. Was anbiedernd ist, wittern Kinder enorm schnell. Ich mag nicht, wenn etwas bewusst cool ist...

STANDARD: ... wie Coolio, Ihr Drache in "Drachenschatz"?

Brezina: Der heißt Coolino.

STANDARD: Oh, pardon.

Brezina: Wenn Erwachsene bewusst versuchen, die Kindersprache zu sprechen: Wozu? Erwachsene sind Erwachsene, Kinder sind Kinder. Die sprechen so, die sprechen so. Es geht um Authentizität.

STANDARD: A propos authentisch: Wäre es für Sie eine authentische Rolle, Vater zu sein? Rolle nicht im Sinne von Schauspiel, im wirklichen Leben.

Brezina: Ja, aber es ist zur Zeit nicht.

STANDARD: Die Frage von meinem Kollegen ist noch offen, der aus Ihren Worten heraushörte: Wer Sie hinterfragt, hinterfragt gleich alle Kinder dieser Welt.

Menasse: Wissen Sie besser, was Kinder zu mögen hätten?

STANDARD: Das war nicht die Frage. Der Punkt ist: Fragt man Herrn Brezina nach der unternehmerischen Dimension seines Tuns, blockt er ab und erklärt, man will mit der Frage Kindern Übles. Er setzt Skepsis, Kritik oder Hinterfragen seiner Person gleich mit Kritik und Hinterfragen der Kinder.

Menasse: Die Kinder wollen, was Herr Brezina tut. Sein Erfolg gibt ihm Recht.

STANDARD: Nicht alles, was Quote macht, was Massen fasziniert, ist auch zwingend gut. Es kann auch nur lukrativ sein, es kann politisch erfolgreich sein, aber nicht unbedingt gut.

Menasse: Sie misstrauen der Einschätzung der Kinder.

STANDARD: Tue ich nicht. Würden Sie sagen, dass "Titanic" der beste und anspruchsvollste Film aller Zeiten ist, nur weil er an den Kinokassen am meisten einspielte?

Brezina: Was ist gut und was ist anspruchsvoll und was ist Literatur?

STANDARD: "Titanic" fällt mir da jedenfalls nicht als Erstes ein.

Menasse: Warum wird jemand Fußballer? Er wird sich dafür nicht entschieden haben, weil er damit vielleicht eine Menge Geld verdienen kann. Er wurde Fußballer, weil ihm dieser Sport Spaß gemacht hat und weil er gut darin ist.

Weiter: MIsstrauen, Weltherrschaft.

STANDARD: Wenn er aber draufkommt, dass Spielzug X oder Masche Y beim Spiel – oder, siehe Beckham, beim Publikum – ankommt und er das ausreizt bis zum Gehtnichtmehr, dann darf ich diesen Fußballer fragen, ob das zumindest auch eine Rolle spielt und was ihm das einbringt.

Brezina: Wenn er nicht mehr gut spielt, wird er nicht mehr in der Topliga sein. Gut spielt man, wenn man sich auf den Ball konzentriert. Sie haben ein tiefes Misstrauen gegenüber mir und meiner Arbeit.

Menasse: Misstrauen gegenüber Erfolg.

STANDARD: Misstrauen ist eine Berufskrankheit von Journalisten. Aus meiner Sicht eine berufliche Tugend. Ihre Berufskrankheit oder Tugend als PR-Mannist, alles positiv zu sehen – jedenfalls was Ihre Kunden betrifft. Da stehen wir auf zwei verschiedenen Seiten, die sich schwer vereinbaren lassen.

Menasse: Wobei ich nur Aufträge von Menschen annehme, von deren Arbeit ich überzeugt bin!

Brezina: Ist Misstrauen eine Krankheit? Ich glaube nicht. Ich glaube, das ist eine Lebenseinstellung. Wissen Sie, das ist einer der Punkte, wo ich sage: Ich spiele da nicht mit. Wenn man heute negativ ist, zynisch, soviel Applaus kann man sich gar nicht wünschen, wie man da erntet. Ich glaube nicht, das uns das weiterbringt. Wir haben alle die Wahl.

STANDARD: Eine letzte Frage – Achtung, Ironie: Herr Brezina, streben Sie nach der Weltherrschaft?

Brezina: Ich muss Ihnen ganz ehrlich sagen: Wenn das bedeuten würde, dass man auf dieser Welt diesen Hass, dieses Grauen beenden könnte, das heute an vielen Orten herrscht, dann fände ich das absolut erstrebenswert. Da kommen wir wieder zu den Kindern, die am meisten die Leidtragenden sind. Kein Kind will Krieg, kein Kind will eine Hungersnot, kein Kind will seine Eltern durch Aids verlieren ...

STANDARD: Es gibt durchaus auch Erwachsene, die weder Krieg noch Hungersnot noch Aids wollen.

Brezina: ... Wenn man das alles dadurch verbessern könnte, hätte das sicher seinen Sinn. Ob so eine Position allerdings erstrebenswert ist? Nein, ich glaub es keine Sekunde.