Ein Aufstand mit Seltenheitswert: Die Redaktionsversammlung der "Krone" verabschiedete Donnerstag nach STANDARD-Infos einstimmig eine Protestnote an Hans Dichand: Der Hälfteeigentümer und Geschäftsführer möge die Entlassung von Chefredakteur Michael Kuhn zurücknehmen. Dichand (85) hatte sie ohne Zustimmung von Mitgesellschafter WAZ ausgesprochen, obwohl die WAZ Kuhn 2003 laut Gesellschaftervereinbarung als zweiten Chefredakteur vorgeschlagen hatte.

Gretchenfrage für die Redaktion: Bisher haben die beiden Chefredakteure Christoph Dichand und Kuhn gemeinsam die Personalhoheit.

Kuhn bekämpft die Entlassung: Beide Eigentümer bestellten ihn, nur beide können ihn absetzen. Der 68-Jährige arbeitete auch Donnerstag trotz versuchten Hausverbots.

Dichand senior ließ da schon die nächsten Provokationen los. Christian Muchas Branchenmagazin "Extradienst" zitiert den Krone-Herausgeber zum Zeitungsprojekt der Brüder Fellner: "Ich möchte mit einer Gratiszeitung dagegenhalten." Das darf er nicht ohne Zustimmung seiner Mediaprintpartner WAZ und Raiffeisen, die ihm schon 2004 den "U-Express" abdrehten.

Noch 2004 erschien "Heute" mit verschleierter Eigentümerschaft. Dichand, stets im Verdacht, dementiert jede Beteiligung. Seine Schwiegertochter Eva führt dort die Geschäfte. Nun sagt Dichand, "Heute wäre schon sehr interessant. An die würde ich gerne herankommen. Vielleicht lege ich ein Angebot, Heute zu kaufen." Damit er das darf, müssten wohl er oder die WAZ ihre Hälfte an der "Krone" verkaufen, beides ist unwahrscheinlich.

Dichand weiter: Raiffeisenchef Christian Konrad habe ihn mit den Brüdern Fellner und den Worten besucht: "Wir machen jetzt diese Tageszeitung." Konrad habe Dichand eine Beteiligung daran angeboten. Konrad zum STANDARD: "Zu Herrn Mucha gebe ich keinen Kommentar ab." (Harald Fidler/DER STANDARD, Printausgabe, 3.2.2006)

Weiter: Das "Extradienst"-Interview mit dem "Krone"-Herausgeber in Auszügen.

Das Branchenmagazin "Extradienst" bat Dichand nach der Wahl zum "Kommunikator 2005" zum Interview. Das Interview in Auszügen.

ED: Wie viele Leserbriefe bekommt der Herausgeber der "Kronen Zeitung" am Tag?

Dichand: Das ist sehr unterschiedlich. Manchmal liegt etwas in der Luft und dann kommen sehr, sehr viele. Hunderte unter Umständen ...

ED: Was hat die Gemüter in den letzten Jahren mit Abstand am meisten erhitzt?

Dichand: Sicher die EU. Die Menschen sind da sehr kritisch ...

ED: Da waren die "EU-Porno-Plakate" sicher Wasser auf die Mühlen ...

Dichand: Ja, die Sex-Affäre ist stark – jeden Tag kommt sie (lacht). Aber sie ist nicht so stark, wie man denken könnte. Die Leute vergessen so etwas schnell wieder. Sagen, das war ein Blödsinn. Einzelne nicht, die wirken dann komisch auf die anderen Leser. Aber auch deren Meinungen bringe ich.

[...]

ED: Ich erinnere mich an ein Gespräch mit Ihnen – es ist einige Jahre her – da meinten Sie: Ich glaube nicht, dass ich mich mit dem Internet sonderlich anfreunden werde. Woher kommt Ihr Sinneswandel?

Dichand: Ich glaube erkannt zu haben, dass das Internet sehr wichtig ist. Und ich glaube auch, dass dieses Medium gerade für unsere Zeitung sehr wichtig ist. Nicht zuletzt, weil die zwei Brüder, die eine Tageszeitung in Österreich machen werden, stark darauf setzen dürften. Ich will jetzt etwas machen – nicht erst, wenn die beiden mit ihrem Projekt bereits auf dem Markt sind.

ED: Womit wir bei einem spannenden Thema wären: Man sagt, diesmal seien nicht beide Brüder an Bord. Helmuth Fellner werde operativ nicht tätig werden. Wolfgang Fellner also für das neue Medium hauptverantwortlich sein. Was trauen Sie dem zu?

Dichand: Ich traue ihm sehr viel zu. Eigentlich schätze ich beide Brüder und bin auch gut mit ihnen. So ist beispielsweise der Präsident des "Kurier" Christian Konrad mit beiden zu mir gekommen. Konrad sagte: "Wir machen jetzt diese Tageszeitung. Ich möchte das aber nicht ohne Sie in Angriff nehmen. Ich biete Ihnen eine Beteiligung von 50 Prozent an." Meine Frage darauf: "Ich soll mich an einer Zeitung beteiligen, die gegen mich gerichtet ist?" Zunächst: kein Wort von Konrad. Später hat er mir aber ins Ohr gesagt: "Eigentlich hab' ich mir das eh gedacht."

ED: Wann war das?

Dichand: Das liegt schon zwei, drei Monate zurück.

ED: Wurde Ihnen damals das Projekt detaillierter vorgestellt?

Dichand: Nein. Die haben eigentlich gar nichts erzählt. Aber von anderen Seiten habe ich einiges erfahren. Natürlich auch, dass das Internet eine große Rolle spielen wird. Und deshalb schauen wir genau an, was wo bereits funktioniert. Was erfolgreich ist. Und was wir diesbezüglich machen könnten.

ED: Wird Fellner es schaffen, schnell die Nummer zwei im heimischen Tageszeitungsmarkt zu werden?

Dichand: Wenn mir gelingt, was ich möchte – dann nicht. Ich möchte mit einer Gratiszeitung dagegenhalten. Und gegen die kommen sie nicht auf.

[...]

ED: Aber an "Heute" sollen Sie ja nicht beteiligt sein ...

Dichand: Bin ich auch nicht. Allerdings: Sogar meine Tochter ist da skeptisch und kann das nicht ganz glauben. Worauf ich sie gefragt habe, ob sie denn meint, dass ihr Vater sie belüge. Tatsache ist – und ich sage es Ihnen, wenn Sie möchten, beim Leben meiner Kinder – ich bin nicht im Geringsten beteiligt.

ED: Wann wollen Sie eine eigene Gratiszeitung bringen?

Dichand: Da denke ich noch darüber nach. Aber "Heute" wäre schon sehr interessant. An die würde ich gerne herankommen. Ein wichtiges Medium. Wir hatten ja den "U-Express", der dann eingestellt wurde. Warum, weiß ich nicht. Ich versuche aber jetzt, zumindest mein Geld, das ich dort hineingesteckt habe – eine ordentliche Summe –, zurückzubekommen. Und vielleicht lege ich ein Angebot, "Heute" zu kaufen.

[...]

ED: Es geht das Gerücht, Dritte hätten Interesse, die WAZ-Hälfte der "Kronen Zeitung" zu kaufen. Was ist da dran?

Dichand: Ich habe auch schon davon gehört ...

ED: Und jeder Hälfteeigentümer wäre Ihnen lieber als die WAZ ...

Dichand: Es ist nicht die WAZ – es ist eigentlich nur der Dr. (h.c.) Schumann, der festgefahren ist in diesem Konflikt. Aber auch der meinte – es ist ungefähr ein Jahr her – im Zuge des Streites und obwohl nichts beschlossen wurde: Na, sehen wir uns wieder einmal am Attersee? Also könnte auch von seiner Seite eine Lösung möglich sein. Was gut wäre. Ich hege keinen Hass gegen ihn – ebenso wenig wie gegen meinen ehemals guten Freund Dragon.

ED: Und mit Michael Kuhn, der seit über 40 Jahren für Sie arbeitet, stehen Sie aktuell vor dem Arbeitsgericht.

Dichand: Was folgenden Grund hat – Michael Kuhn bekam für seine zusätzliche Funktion als Co-Chefredakteur von der WAZ rund 7800 Euro Zulage im Monat. Das hat anfangs die WAZ gezahlt. Dann sollten wir es weiter zahlen, ohne dass ich als Hauptgeschäftsführer gefragt wurde. Das möchten wir uns natürlich nicht gefallen lassen. (Anm: Vor Gericht wurde jetzt ein bedingter Vergleich geschlossen, wonach Kuhn die Zulage weiter bezieht, sofern ab 1. Januar 2006 wieder die WAZ bezahlt.)

ED: Wie haben Sie überhaupt von diesem Zusatzgehalt erfahren?

Dichand: Der WAZ-Geschäftsführer hier im Haus, Hansjörg Fondermann, hat uns darüber informiert. Eigentlich Ex-Geschäftsführer – denn er wurde von der WAZ gekündigt.

ED: Um den Konflikt mit der WAZ ein für allemal beizulegen, hört man aus der Familie Dichand immer wieder, dass man durchaus daran interessiert wäre, den zweiten Teil der "Kronen Zeitung" zurückzukaufen. Was sehr teuer wäre. Würden Sie so tief ins Säckel greifen?

Dichand: Ja. Die gesamte Familie ist sich einig, dass wir die Zeitung behalten bzw. zurückkaufen möchten. Wir haben sie aufgebaut – alle hängen daran. Andererseits: Die Kronen Zeitung ist sehr beliebt und populär. Und ich stelle mir vor, dass ein Milliardenbetrag (der für einen Rückkauf sicher benötigt werden würde) durch Auflage einer Volksaktie aufgebracht werden könnte. Jeder einzelne österreichische Aktionär wäre uns lieber als unsere derzeitigen Hälfteeigentümer und Gegner.

ED: Haben Sie diesen Vorschlag der WAZ unterbreitet und was wären die 50 Prozent heute wert? (Anm: Im Poker um die "Krone"-Hälfte bezahlte Hans Dichand seinerzeit seinem Partner Kurt Falk 2,2 Milliarden Schilling.)

Dichand: Ich weiß den Wert nicht, ich kann ihn ad hoc nicht einmal schätzen. Aber es wäre sicher deutlich mehr, als Kurt Falk damals bekommen hat. Geld hat die WAZ im Augenblick zwar genug. Ob allerdings die Regionalzeitungen des Konzerns – über deren Machart man geteilter Meinung sein kann – auch in Zukunft viel abwerfen werden – man wird sehen ...

ED: Eine andere Herausforderung kommt auf Ihr Lebenswerk durch eine neue Tageszeitung zu ...

Dichand: Auch davor habe ich keine Angst. Ich denke, dass wir etwas besitzen, das wir gegen die Brüder sehr gut zum Einsatz bringen können: Es ist das Gefühl. Kurt Falk hat begriffen, wie wichtig das ist, hat auch "Die Zeitung mit Herz" überall hingeschrieben, aber einbringen hat er das Herz nie wirklich können. Ich habe nie etwas Schlechtes über ihn gesagt, besonders seit er tot ist – das mache ich nicht. Aber es ist so – er hatte das Gefühl nicht. Und ich glaube, dass es auch die zwei Brüder nicht haben. Das sind gute, erstklassige Leute. Erstaunlich, was sie mit ihrem Magazin News gemacht haben. Mich haben sie immer beruhigt und gesagt: Vor uns brauchen Sie keine Angst haben, wir können keine Tageszeitung machen. Und wenn ich es richtig verstanden habe, dann tun sie das auch nicht, sondern bringen ein Mittelding zwischen Magazin und Tageszeitung. Jedenfalls: Ich hab überhaupt keine Angst. Vielleicht ist das falsch. Aber ich glaube, Tageszeitung machen kann ich und das werde ich auch weiter können.