Berlin/Wien/Klagenfurt - Die heftigen Proteste in der islamischen Welt gegen die europäischen Zeitungskarikaturen des Religionsstifters Mohammed haben am Dienstag auch zahlreiche österreichische Reaktionen hervorgerufen. Bundespräsident Heinz Fischer nahm in seiner Trauerrede zu Ehren des verstorbenen deutschen Altbundespräsidenten Johannes Rau in Berlin Stellung zu den aktuellen Ausschreitungen, die sich aus einer "unsensiblen journalistischen Vorgangsweise" entwickelt hätten. Bundeskanzler Wolfgang Schüssel (V) hatte am Vorabend in seiner Eigenschaft als EU-Ratsvorsitzender an die Vernunft appelliert und zur Mäßigung aufgerufen.

Fischer

Fischer hob in seiner Rede hervor, dass Rau als Mann des Friedens, besonders unter Religionen, "zutiefst betroffen und aufgewühlt gewesen, wenn er noch erlebt hätte, was sich in den allerletzten Tagen aus einer unsensiblen journalistischen Vorgangsweise und den darauf folgenden Reaktionen entwickelt hat. Er hätte sich bestimmt für einen verantwortungsvollen Umgang mit Grundrechten, für Respekt gegenüber religiösen Gefühlen, für Toleranz und Dialog, aber sehr entschieden gegen Gewalt ausgesprochen."

Schüssel

Schüssel erinnerte die muslimischen Staaten an ihre Verpflichtung zum Schutz diplomatischer Einrichtungen. Als Reaktion auf die Angriffe auf westliche Botschaften wurde nach Angaben des Kanzlers ein Treffen der politischen Direktoren der Außenministerien aller EU-Staaten einberufen.

Gusenbauer

SPÖ-Vorsitzender Alfred Gusenbauer erklärte in einer Aussendung: "Die gewalttätigen Handlungen müssen ein Ende haben, eine weitere Eskalation wäre brandgefährlich. Dafür ist auch ein sensibler Umgang mit den Worten und eine Mäßigung des Tones dringend notwendig". In einem entwickelten Rechtsstaat kämen nicht nur Gesetze und Verordnungen zum Tragen kommen, sondern auch "Sensibilität, gegenseitige Achtung und Verständnis für andere Kulturen, Lebensweisen und Religionen". Dieses Selbstverständnis sei in Österreich gegeben. Auf der anderen Seite sei es "legitim und notwendig, für die hart erkämpften, von allen gesellschaftlichen Gruppen mitgetragenen, europäischen Grundwerte zu werben".

Haider

Der Kärntner Landeshauptmann und BZÖ-Obmann Jörg Haider zeigte Verständnis für die muslimischen Proteste. Die Muslime "fühlen sich zu Recht angegriffen", sagte Haider in Klagenfurt, da mit den Karikaturen ihre philosophische Grundlage attackiert würde. Der österreichischen Bundesregierung empfahl er, Kontakt zum libyschen Revolutionsführer Muammar Gaddafi aufzunehmen. Der Westen sei nun dabei ertappt worden, dass er "mit anderen Religionen nicht so brutal umgehen kann wie mit der eigenen", sagte Haider bei einem Pressegespräch. Das Christentum werde in Europa oft auf aggressive und sonderbare Weise lächerlich gemacht. Die Muslime seien "sehr vital" dazu bereit, ihre Religion zu verteidigen, im Gegensatz dazu seien die "christlich-europäischen Kohorten" äußerst lahm.

Islamische Glaubensgemeinschaft

Die Islamische Glaubensgemeinschaft hat nach dem Anschlag auf die österreichische Botschaft in Teheran erneut jegliche Gewaltanwendung verurteilt sowie zu Mäßigung und Besonnenheit aufgerufen. Muslime in Österreich seien tief besorgt über ständig neue Höhepunkte der Eskalation nach der Veröffentlichung der Karikaturen des Propheten in westlichen Medien, hieß es in einer Aussendung von Carla Amina Baghajati, Medienreferentin der Glaubensgemeinschaft, vom Dienstag. Österreich habe einen guten Ruf in der islamischen Welt. Auch die Islamische Glaubensgemeinschaft bemühe sich um Deeskalation und richte einen Appell zu Besonnenheit an die Botschaften islamischer Staaten und die dortige Presse. (APA)