Netzpolitik
Wirtschaft will staatlichen Einfluss auf das Internet verhindern
Keine einheitliche Position bei G-8-Expertentreffen in Paris - Nur bei Softwarepiraterie wird der Ruf nach Schutz laut
Mit einem Richtungsstreit ist am Mittwoch das Pariser Experten-Treffen der G-8-Staaten zur
Internet-Kriminalität zu Ende gegangen. In dem je zur Hälfte aus Industrie-Vertretern und von Delegierten der acht
Staaten zusammengesetzten Forum, das seit Montag tagte, traten deutliche Meinungsunterschiede über die Bedeutung
der Computerkriminalität und mögliche Abwehrstrategien zu Tage. Der Interessenverband "Internet Alliance", der unter
anderem von Microsoft, der Deutschen Telekom und AOL getragen wird, warnte vor Überreaktionen staatlicher Stellen
auf Viren- oder Hackerangriffe. Der Verband lehnte es ab, den staatlichen Stellen bei der Fahndung unter die Arme zu
greifen, außer auf freiwilliger Basis.
An der Pariser Tagung beteiligen sich Fachleute aus der G-7-Gruppe der sieben wichtigsten Industrienationen
(Deutschland, Frankreich, Großbritannien, Italien, Japan, Kanada und die USA) und aus Russland. Mehrere
G-8-Vertreter, darunter Italien, forderten die Schaffung einer grenzüberschreitenden Cyber-Polizei, die ein
weitreichendes Einsichtsrecht in verdächtige Daten haben solle. Das Gastgeberland Frankreich schlug eine "gemeinsame
Regulierung" des Internet durch Staat und Wirtschaft vor. Die Konzepte stießen jedoch auf entschiedene Ablehnung der
Unternehmensvertreter.
Diese Ideen seien "lächerlich und unsinnig", sagte Austin Hill, Chef des kanadischen Unternehmens für
Internet-Sicherheit Zero-Knowledge-Systems. Ein weitere Internet-Lobby, das "Global Internet Project", das unter
anderem von der Deutschen Bank, Sony und Fujitsu getragen wird, forderte, mehr auf die "Selbstregelung des Marktes"
statt auf "Regelung durch Regierungen" zu setzen. Die Unternehmenssprecher setzen angesichts von Viren und
Hackern vor allem auf Filter - so genannte Firewalls - sowie auf Anti-Viren- und Verschlüsselungsprogramme.
Ein Vertreter des US-Unternehmens Intel, David Aucsmith, wies darauf hin, dass es bereits eine Reihe technischer
Möglichkeiten im Kampf gegen Internet-Kriminalität gebe, die aber besser aufeinander abgestimmt werden müssten. Ein
Vertreter des französischen Verbandes von Internet-Providern, Etienne de Toquin, erinnerte in diesem Zusammenhang
an den Smart-Card-Chip, mit dessen Hilfe Betrügereien bei Geld- und Telefontransaktionen bereits deutlich weniger
geworden seien.
Dem gegenüber betonte James Robinson vom US-Justizministerium auch die Notwendigkeit, umfassende Gesetze zur
Verfolgung von Cyber-Straftätern zu erarbeiten und international anzugleichen. Was Hacker angehe, müsse
Jugendlichen klargemacht werden, welchen wirtschaftlichen Schaden manche Spielereien anrichten könnten. Aucsmith
sprach von der Möglichkeit, Computerschulungen für die Polizei zu organisieren. "Regierungen sollten nicht die letzten
sein, die sich mit neuen Technologien befassen", sagte er.
Bei Themenfeldern mit Unternehmensinteressen wie beispielsweise bei der Sofware-Piraterie wurde jedoch auch in Paris
umgehend der Ruf nach einem starken Staat laut: "Wir fordern Null Toleranz im Internet", erklärte der
Interessenverband Bussiness Software Alliance, zu dem unter anderem Intel, Microsoft, Apple und Adobe gehören.
Diese Lobby forderte in Paris eine Verschärfung des Urheberrechtes und die strikte Verfolgung von Raubkopierern.
Die am Mittwoch vorgelegte Abschlusserklärung des G8-Treffens in Paris enthält lediglich allgemeine Formulierungen und
fordert zu einer engen internationalen Zusammenarbeit zwischen den Staaten und einer Kooperation mit der Wirtschaft
auf. Zu den in den Debatten zu Tage getretenen Konflikten zwischen Firmen und den Justiz- und Polizeibehörden der
Staaten steht in dem Text nichts. Das Experten-Treffen sollte vor allem Anregungen für das G-8 Gipfeltreffen in im Juli
liefern. (APA)