Eigentlich ist die Dienstleistungsfreiheit schon in den EU-Verträgen festgeschrieben, aber in der Praxis gibt es jede Menge Hürden, wie der Europäische Gerichtshof in zahlreichen Urteilen festgestellt hat. Abhilfe sollte die Dienstleistungsrichtlinie schaffen, die nun zum Symbol für den Streit zwischen Anhängern und Kritikern eines möglichst freien Wettbewerbs in Europa geworden ist. Während Vertreter der Wirtschaft Hoffnungen auf bis zu 600.000 neue Arbeitsplätze und einen Abbau der Bürokratie schüren, gibt es auf der anderen Seite die Furcht vor Sozialdumping.

In der von den beiden großen Fraktionen des EU-Parlaments - Konservativen und Sozialdemokraten - gefundenen Vereinbarung wird beidem Rechnung getragen. Es gilt der Grundsatz, dass ein Binnenmarkt bei Dienstleistungen hergestellt wird, wonach jedes Unternehmen in jedem EU-Land arbeiten kann. Gleichzeitig wird verfügt, dass die Gesetze und Regelungen des Landes, in dem die Dienstleistung angeboten wird, geachtet werden müssen.

Kombination

Damit werden das umstrittene Herkunftslandsprinzip und das Ziellandsprinzip kombiniert. Der ursprüngliche Entwurf von Exkommissar Frits Bolkestein hatte rein das Herkunftslandprinzip forciert. Da mehr bei den sozialen Anforderungen nachgebessert wurde, gibt es mehr Kritik aufseiten der Konservativen und der Wirtschaftsverbände - zumal nun auch ausländische Anbieter nicht mehr verpflichtet werden können, Mitglied in einer Kammer zu werden, um eine Dienstleistung anbieten zu können.

In der Praxis zeigt sich, dass die neue Richtlinie eigentlich nur auf einen relativ kleinen, aber wichtigen Kreis anwendbar sein wird: auf das Bau- und das Baunebengewerbe, von der Baufirma bis zum Installateur. Auch Friseure oder Kosmetiker können sich in Zukunft auf die Dienstleistungsrichtlinie berufen. Erfasst werden aber auch einige freie Berufe wie Architekten und Unternehmensberater.

Pflegeberufe ausgenommen

Generell ausgenommen sind Dienstleistungen von allgemeinem Interesse wie der Nahverkehr oder der kommunale soziale Wohnbau, Zeitarbeitsfirmen und Sicherheitsdienste. Dies gilt auch für den Sozial- und Gesundheitsbereich, sodass sich in Zukunft Pfleger aus Osteuropa nicht auf die Dienstleistungsrichtlinie berufen können.

Durch die vielen Ausnahmen sieht die Richtlinie schon wie ein Schweizer Käse aus, wird in Brüssel gescherzt. Offen ist auch die Frage der Kontrolle und wie Verstöße etwa gegen das österreichische Arbeitsrecht geahndet werden können. Es wird deshalb auch viel an den jeweiligen Mitgliedstaaten liegen, wie sie die Ausnahmen definieren und die Richtlinie umsetzen. (Alexandra Föderl-Schmid aus Brüssel, DER STANDARd, Print-Ausgabe, 11./12.2.2006)